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Archiv-Artikel

Hey, hier kommt Alex

taz-Serie „Rund um den Alex“ (Teil 5 und Schluss): Bislang war der Alexanderplatz ein Ort für Bahnfahrende, Käufer und Jugendliche. Aber was für ein Ort wird er nach dem Umbau sein? Um diese Frage kümmert sich ein Platzmanager

VON UWE RADA

Sie haben sich beim „Knuddelchat“ kennen gelernt, hören Gothic-Musik, schnorren gerne ein paar Euro oder wollen sich einfach nur treffen, um auf den Stufen vor Saturn eine paar Bier zu trinken. Für viele Jugendliche in der Stadt ist der Alexanderplatz immer noch der Treffpunkt schlechthin.

Seit einiger Zeit ist es allerdings eng geworden auf dem Alex. Der Kaufhof erweitert seine Verkaufsfläche von 24.000 auf 36.000 Quadratmeter und rückt dem „Brunnen der Völkerfreundschaft“ auf die Pelle. Das denkmalgeschützte Berolinahaus wird zum C & A-Flaggschiff umgebaut. Der texanische Investor Hines hat sein Grundstück auf der Nordostseite des Platzes eingezäunt, um zu demonstrieren: Auch hier kann es bald mit dem Bau losgehen. „Die verschiedenen Nutzer sind auf Hautkontakt“, sagt Heiko Wichert. „Da kann es schnell auch zu Konflikten kommen.“

Heiko Wichert hat einen Beruf, der selten ist in Berlin. Er ist Platzmanager für den Alexanderplatz, bezahlt zur Hälfte vom Bezirksamt, zum andern aus Mitteln des Civitas-Projektes der Bundesregierung. Sein Job ist, dafür zu sorgen, dass die Interessen einer der wichtigsten Nutzergruppen des Platzes – der der Jugendlichen – nicht der Kommerzialisierung zum Opfer fallen. Wichert ist mithin der Ansprechpartner der Jungs und Mädels vom Knuddelchat, der Gothic-Fans, der Punks und derjenigen, die vor den Stufen von Saturn gern ein paar Biere trinken. Der Platzmanager ist das genaue Gegenteil von einem Platzwart.

Dass es am Alexanderplatz ein Platzmanagement gibt, geht auf einen Beschluss des Bezirksamts Mitte aus dem Jahre 1998 zurück. Der Alex, so befanden die Bezirksverordneten, ist nicht nur ein Platz für Konsumenten und Bahnfahrer, sondern auch ein Platz für Jugendliche. Mittes Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) hat diese Position vor kurzem erst bekräftigt. Damit sind die Kids vom Alex nicht mehr nur geduldet, sondern haben auch Rechte. Was das bedeutet, haben sie nicht zuletzt bei der Freiraumplanung zum Alexanderplatz erfahren, die die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2002 in Auftrag gegeben hat.

Schon zu Beginn der Planungen hatte ein Senatsvertreter Anlass zu Befürchtungen gegeben, dass es am Alex künftig jugendfrei zugehen solle. Schließlich werde der Alexanderplatz von einem „Platz des Ostens“ zu einem „Platz für ganz Berlin“ umgebaut und solle einmal der „größte Einzelhandelsstandort der Stadt“ werden, sagte Patrick-Michael Weiss, der den Wettbewerb im Auftrag des damaligen Bausenators Peter Strieder (SPD) ausgelobt hatte.

Angesichts solcher Töne schlug sogar die ehemalige Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), Alarm. Der Grund: Unter den Jugendlichen, die sich am Alex treffen, waren und sind auch viele ausländischer Herkunft. „Für meine Freunde und mich ist der Alex schon seit vier Jahren ein Treffpunkt“, sagte damals der aus dem irakischen Kurdistan stammende Bayar. „Anfangs waren wir 10 oder 15, jetzt sind es schon 500.“ Bayar betonte auch die Bedeutung eines solchen Treffpunktes. „Durch unseren Sport halten wir einige davon ab, schlimme Dinge zu tun, zum Beispiel Drogen zu nehmen.“

Heute treffen sich Bayar und seine Freunde nicht mehr auf dem Alex selbst, sondern auf der anderen Seite des S-Bahnhofes, gegenüber den Rathauspassagen. Vertrieben fühlen sie sich nicht, sagt Heiko Wichert, der Platzmanager. Im Gegenteil: Seit neben dem Basketballplatz auch noch ein Feld für Beachvolleyball dazugekommen ist, ist der Platz rund um den Fernsehturm noch attraktiver geworden. „Mittlerweile treffen sich hier etwa 500 Jugendliche zwei bis dreimal die Woche“, sagt Wichert.

Wicherts optimistische Sicht auf die Dinge kann aber nicht darüber hinwegtäuschem, dass es auf dem eigentlichen Alexanderplatz bald anders zugehen könnte. Wenn Kaufhof und C & A im nächsten Jahr fertig gebaut sind, soll auch die Freifläche am Platz umgebaut sein, und dazu gehören auch Straßencafés oder Stehtische. Schnorrende Punks können da schnell zum Geschäftshindernis werden. Wird der Platz also in Zukunft zweigeteilt sein – nördlich der S-Bahn das Terrain für Kaufhof-Kunden und Bockwurstliebhaber, südlich davon das Gelände für Jugendliche und Anwohner?

Nein, sagt Wichert und verweist auf Ergebnisse der Freiraumplanung, die mittlerweile vorliegen. Tatsächlich soll es am Alex nicht nur Platz für Straßencafés geben, sondern weiterhin auch Sitzstufen – nur dass sich die nicht mehr unmittelbar vor Saturn befinden, sondern ein paar Meter platzeinwärts. Platz für nichtkommerziellen Aufenthalt heißt das im Bezirksjargon, für die Kids ist es die Lizenz zum Bleiben.

Vielleicht haben sie, deren Interessen sonst als erste der Kommerzialisierung zum Opfer fallen, sogar einen längeren Atem als die Investoren. Von den zehn Hochhäusern, die rund um den Alex entstehen sollten, ist nämlich noch kein einziges gebaut. Und die Zahl derer, die sich heimlich, still und leise von den Türmen verabschiedet haben, wächst. Auch das Park-Inn-Hotel, an dessen Stelle gleich drei Hochhäuser entstehen sollten, hat inzwischen mehrere Millionen Euro in die Sanierung gesteckt. Bliebe nur noch die texanische Hines-Gruppe. Doch die hat, Bauzaun hin, Bauzaun her, schon mehrere Male erklärt, dass der Bau bald beginne.

So gesehen ist die Hines’sche Inbesitznahme des Ortes, an dem sich bis zum Umzug vor die Rathauspassagen das Basketballfeld befand, eine Geste der Hilfslosigkeit. Und der Alex bleibt auch nach dem Umbau, was er immer war – ein People’s Place.