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Archiv-Artikel

Sarkozy gegen Sarkozy

Nicolas Sarkozy würde gerne Jacques Chirac im Amt des Präsidenten beerben. Seine Frau Cécilia hat ihn dabei bisher immer unterstützt. Nun zieht sie sich zurück, aus der Politik – und von ihrem Mann

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Das Privatleben ist in Frankreich heilig. Besonders das von Spitzenpolitikern. Ob sie in ihrer Beziehung glücklich sind, ob sie fremdgehen – das erfahren ihre Landsleute selten. Nicolas Sarkozy (50), Chef der rechten Sammlungsbewegung UMP und gegenwärtig Innenminister, der Anwärter auf den im Jahr 2007 frei werdenden Posten des Staatspräsidenten also, benutzte seine Ehe mit Cécilia (47) von Anfang an als PR-Instrument.

Die Sarkozys kamen Hand in Hand ins Ministerium, luden Fotografen zu ihrem Jogging, Radfahren und Frühstücken ein, setzten, wie einst die Kennedys in den USA, ihren Sohn Louis (8) dekorativ unter den Schreibtisch von Papa, und machten sich gegenseitig öffentliche Liebeserklärungen. „Ohne ihre Ratschläge könnte ich meine Arbeit nicht tun“, sagte er. „Die Politik ist so brutal, dass sie zu zweit leichter zu ertragen ist“, sagte sie.

Jetzt kommt die Inszenierung des privaten Glücks wie ein Bumerang auf Sarkozy zurück. Er ist zwar weiterhin der populärste Politiker Frankreich, aber seine Frau ist auf Distanz gegangen. Anfang Juni hat sie ihr Büro in der UMP aufgegeben, wo sie ganz offiziell als „Kabinettschefin“ ihres Mannes fungierte. Im Innenministerium an der Place Beauveau hat sie das Büro, das ihr beim Einzug Ende Mai zugeteilt wurde, noch gar nicht benutzt.

Die französischen Medien – selbst seriöse Blätter wie Le Monde – weiden sich genüsslich an der Beziehungskrise. Cécilia habe sich „in einen Werbefachmann verliebt“, ist zu erfahren. Cécilia sei „sauer über die Abenteuer von Nicolas“. Cecilia habe „ihre Sachen gepackt“.

Als handele es sich um eine Frage von nationalem Interesse, brachte das Boulevardblatt Le Parisien die Titelgeschichte: „Cécilias Wahl“. Im Parlament witzeln Oppositionspolitiker über das „Vaudeville“ im Innenministerium. Und ein Sozialdemokrat stellt perfide eine „psychische Labilität“ beim Innenminister fest. Denn der ist noch nervöser und aggressiver, seit Cécilia ihn nicht mehr begleitet. Wenige Tage vor dem EU-Verfassungsreferendum in Frankreich sagte Sarkozy sogar im allerletzten Moment ein Interview in einer Hauptnachrichtensendung im Fernsehen ab. „Übermüdung“, lautete die Erklärung der Mitarbeiter des vor Energie nur so strotzenden Ministers.

Die umworbene Cécilia hält sich bedeckt. In einem Interview im Frühsommer hat sie erklärt, dass sie sich nicht als „première dame“ sieht. Die Perspektive Elysée-Palast „ödet mich an“, sagte sie. Sie fände das „zu einengend“. Das ist überraschend. Zuvor hat sie 19 Jahre lang Nicolas’ Weg an die Spitze der Politik begleitet und organisiert. Und immer wieder beklagten Mitarbeiter von Sarkozy ihre Einmischungen und ihren Ehrgeiz, denn Madame überwachte alles: von der Anschaffung der fünf teuren Flachbildschirme und des großen Bettes beim Einzug in das Finanzministerium im Mai 2004 bis hin zur genauen Choreografie aller politischen Auftritte ihres Mannes.

Die beiden Sarkozys lernten sich in dem Pariser Nobelvorort Neuilly just an dem Tag kennen, als sie einen anderen heiratete – den heute 67-jährigen Fernsehstar Jacques Martin. Als Bürgermeister mit Trikolore-Schärpe vollzog Sarkozy die Zeremonie. Wenige Jahre später zog Cécilia mit ihren zwei Töchtern zu ihm. Nachdem auch er seine Scheidung von der ersten Gattin, mit der er zwei Söhne hat, erreichte, heirateten die beiden im Jahr 1996. Seither gaben Nicolas und die ihn um ein paar Zentimeter überragende Cécilia in Paris das moderne Paar schlechthin. Die Chiracs siezen sich. Die Sarkozys küssten sich vor der Kamera.

Sarkozy hat inzwischen im Fernsehen erklärt, dass seine Familie „Schwierigkeiten“ habe: „wie Millionen von Franzosen“. Und hinzugefügt: „Wir sind dabei, sie zu überwinden.“

Er gibt sich „100 Tage“, um seine Frau zurückzuerobern. So oder so hat der instinktsicherste Politiker der Pariser Regierung bereits den möglichen Nutzen der Krise für seine Karriere erkannt. „So etwas macht menschlich“, sagte er vor Journalisten.