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Archiv-Artikel

Was Afrika braucht

Hirten Schulbildung ermöglichen, Staudämme instand setzen, die Macht der Markt- königinnen brechen: Es gibt Wege aus der Armut Afrikas. Hilfe von außen ist unerlässlich

Die Menschen, geleitet von traditionellen Führern und Dorf-ältesten, sollen selbst Lösungen suchen

„Armut ist wie Feuer. Erst wenn man es fühlt, versteht man die Intensität.“ Armut ist auch in Ghana weit verbreitet – vor allem im Norden des Landes. Armut zeigt sich für die Menschen in einem Mangel an der Grundversorgung, bei Ernährung, Wasser, Gesundheitsversorgung, Bildung, Wohnen, Arbeit. Eine Frauengruppe aus der nordghanaischen Stadt Bolgatenga definiert Armut so: „Jemand, der arm ist, lebt von der Hand in den Mund. Er kann sich weder ausreichend Essen und medizinische Versorgung leisten noch einen langfristigen Plan erstellen, die Probleme in seinem Leben anzugehen.“

Den Frauen zufolge gibt es verschiedene Stufen Armut. Einige sind stark und arm. Andere schwach und arm. Armut ist ein Teufelskreislauf, der durch Landflucht und Abwanderung der Jugend sowie eine niedrige Lebenserwartung aufgrund der schwierigen Lebensumstände beschleunigt wird. Die Gründe für Armut sind vielfältig. Im Vergleich zu anderen Weltregionen herrscht hier krasse Unproduktivität in der Landwirtschaft. Aber es sind die Farmen, die drei Vierteln der wirtschaftlich Aktiven der Gesellschaft Arbeit geben. Der geringe Ertrag aus der Landwirtschaft hat viele Gründe: harsche Klimabedingungen, überholte Anbautechniken, unvorteilhaftes Marketing und Management, schlechte Infrastruktur, unzureichende Ausbildung, eine schwache wirtschaftliche Basis der Gemeinden und eine vernachlässigte Mitsprache in kommunalen Entscheidungen.

Die Wege, die die Regierung bisher in der Armutsbekämpfung eingeschlagen hat, haben kaum Verbesserungen gebracht. Auch dass sämtliche Regierungen Ghanas zusammen mit ihren internationalen Partnern seit den 70er-Jahren den Kampf gegen Armut auf ihre Fahnen geschrieben haben, hat an ihr nichts geändert. Sie alle haben es nicht geschafft, das ungerechte Vermächtnis der ehemaligen Kolonialmacht England zu ändern. Nicht selten sogar haben die angewandten Methoden die Situation verschlimmert.

Wir brauchen einen einheitlichen Ansatz, damit das Potenzial dieser Gegenden erschlossen werden kann – sowohl menschliches als auch Naturschätze. Drei Viertel dieser Menschen leben von der Landwirtschaft und sind somit auf die Natur, etwa Regen, angewiesen. Da es aber nur drei Monate im Jahr regnet, muss unbedingt in Kleinstdämme investiert werden. Dabei hilft das im Norden Ghanas natürlich vorhandene Netz aus Tälern und Flüssen. Man sollte nicht ganz von vorne anfangen, sondern die bereits vorhandenen Dämme und Wasserlöcher wieder instand setzen. Das würde eine ganzjährige Landwirtschaft ermöglichen und sowohl einen höheren Ertrag an Nahrungsmitteln als auch an kommerziellen Agrarprodukten bringen. Auch der Anbau anderer Agrarprodukte, die erfolgreicher auf dem Weltmarkt sind wie zum Beispiel Shea-Butter, müssen aktiver auf den Plan gebracht werden.

Wenn Industrie auch außerhalb der Zentren angesiedelt würde, hätte das zur Folge, dass auch die Infrastruktur wie Straßen oder Stromversorgung verbessert werden könnte. Würde der Staat mehr Engagement zeigen und dort investieren, würden private Investoren folgen. Über die Gemeindeverwaltungen könnten staatliche Subventionen den Kauf von neueren Landwirtschaftsgeräten verbilligen. Das ist unvermeidlich, um die Produktivität im Ackerbau zu steigern und die Farmen auszuweiten. Wenn das mit einem Mikrokreditsystem einhergeht, stünden mehr Bauern Werkzeug, Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Diese Dinge sind seit der Privatisierung während der Jahre der Strukturanpassungsmaßnahmen für viele Bauern unerschwinglich geworden.

Besondere Aufmerksamkeit muss den Frauen im Norden zukommen. Auch hier bedarf es eines flächendeckenden Kreditsystems, um beim Aufbau des oft üblichen Kleinhandels zu helfen. Auch hier wiederum müssen sich Staat und Entwicklungsorganisationen mehr beim Zugang zu Kredit und Erhöhung des Kreditrahmens engagieren. Zudem wäre eine Unterstützung beim Erwerb von etwaigen Kleinmaschinen und Betriebswirtschaftskenntnissen wünschenswert. Erschwingliche und der breiten Masse zugängliche Kredite bedeuten das Lebenselixier für Klein- und Kleinstunternehmen.

Ein anderes Problem liegt bei den Marktköniginnen. Um einen Ausgleich zwischen Stadt und Land zu schaffen, braucht es Institutionen, die der Dominanz der Marktchefinnen etwas entgegensetzen können. Denn es sind diese Marktköniginnen, die seit je aufgrund ihrer starken Netzwerke die ländlichen Erzeuger auspressen. Faire Preise für die Bauern sind bei der jetzigen Machtverteilung nicht möglich.

Es ist schwer, jemandem aus der Armut zu helfen, der seine Lage verkennt. Die Mentalität und die Einstellung müssen sich bei den betroffenen Menschen ändern, damit sie aus ihrer entmutigenden Situation herausfinden. Die Menschen, geleitet von traditionellen Führern und Dorfältesten, sollen selbstständig nachhaltige Lösungen suchen. Denn auch wenn Hilfe von außen kommt, so baut es den eigenen Stolz weitaus mehr auf, wenn Lösungen selbst entwickelt werden. Alles, was Aufklärung und Weiterbildung bringt, sollte genutzt werden: Arbeitsgemeinschaften, Seminare, mündliche Überlieferungen.

Es ist unumgänglich, in Menschen zu investieren, um auch eine nachhaltige Nutzung der Natur zu gewährleisten. Viele Vorteile liegen auf der Hand. Landflucht, vor allem der Jugend, könnte verringert werden. Denn mit den jetzigen Kapazitäten auf dem Land hat die wachsende Zahl von jungen Menschen kaum die Möglichkeit, in den Dörfern ihr Leben zu bestreiten. Weiterbildungszentren müssen ausgebaut werden, um die Zahl der Schulabbrecher und Ungebildeten zu verringern. Das schließt auch Bauern ein, die somit bessere Landwirtschaftstechniken lernen könnten.

Regionen wie der Norden Ghanas brauchen besondere Bildungsprogramme. Die Organisation „Action Aid Ghana“ etwa bringt die Schule zu Hirten im Schulalter. Auf diesem Wege umgeht man den Widerstand der Eltern, weil sie keine Nachteile im täglichen Überlebenskampf zu fürchten brauchen.

Im Vergleich zu anderen Weltregionen herrscht krasse Unproduktivität in der Landwirtschaft

Die Arbeit von Hilfsorganisationen muss besser koordiniert werden als bislang, um mehr Effizienz zu erreichen und Selbstbereicherungen zu stoppen. Die Regierung trägt Verantwortung für Transparenz und Einhaltung von versprochenen Zielen auf diesem Gebiet. Oftmals scheint es, dass Hilfsorganisationen nach eigen Gutdünken operieren. Wenn die Zusammenarbeit zwischen den Organisationen und der Regierung steht, ist zusätzlich das Engagement der Bevölkerung nötig.

Armut wie im Norden Ghanas braucht jede helfende Hand. Die Bedürfnisse sind teils so grundsätzlich, dass der Zustand wie eine strafbare unterlassene Hilfeleistung wirkt. Ohne Hilfe von außen, speziell auch durch den Staat, wird es keine Selbsthilfe geben. AKAWARI-LINURU ATINDEM

Aus dem Englischen von Hakeem A. Jimo