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Archiv-Artikel

Anschläge bremsen Gipfel-Proteste

Nach der Anschlagserie in der britischen Hauptstadt London einigen sich die Gegner des G-8-Gipfels darauf, zumindest für einen Tag auf weitere provokante Aktionen und Blockaden zu verzichten. Abbrechen wollen sie ihre Proteste jedoch nicht

AUS STERLING FELIX LEE

Sichtlich erschüttert und mit großer Betroffenheit quittierten die G-8-Gegner gestern Vormittag die Nachrichten von den Terroranschlägen in London. Rund 5.000 Aktivisten campieren seit Anfang der Woche am Rande der schottischen Stadt Sterling, rund 30 Kilometer südlich vom Golfressort Gleneagles entfernt. Dort tagen seit Mittwoch die Delegationen und Staatschefs der acht führenden Industriestaaten.

Kann man die vorgesehen Blockaden und Aktionen am Sicherheitszaun in Gleneagles jetzt noch weiter fortführen? Werden die Sicherheitskräfte den Terroranschlag mit den Protesten in Bezug setzen? Wie werden die Einsatzkräfte jetzt reagieren? Wird der G-8-Gipfel vielleicht sogar ganz abgesagt?

Nach langen Debatten einigten sich die G-8-Gegner darauf, zumindest für einen Tag keine provokanten Aktionen mehr durchzuführen. Die diversen Sambagruppen und die „Rebel Clown Army“, die auf den Demonstrationen und bei den Aktionen der vergangenen Tage für bunte, zum Teil aber auch aggressive Stimmung gesorgt hatten, haben ihre Trommeln und roten Nasen zumindest für einen Tag abgelegt.

Die vorgesehenen Aktionen vor dem Zaun wurden ebenfalls abgeblasen. „Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, dass wir mit Terroranschlägen nichts zu tun haben“, begründete eine der Organisatorin des Widerstandscamps den gemeinsamen Beschluss. „Wenn wir Aktionen machen, dann nur friedliche Aktionen.“

Noch am Morgen war die Stimmung eine ganz andere gewesen. Rund 200 Polizisten hatten gegen drei Uhr in der Früh das Camp umstellt und den Aktivisten mit der Räumung gedroht. Innerhalb weniger Minuten waren 300 Campbewohner aus ihren Schlafsäcken herausgekrochen und drohten ihrerseits mit Gewalt, falls die Polizisten es wagen sollten, auf das Gelände zu kommen. Den ganzen Morgen kreisten mehrere Hubschrauber über dem rund acht Hektar großen Zeltlager. Von den Campteilnehmer kam niemand hinein und niemand hinaus. Die Sperre wurde erst am frühen Vormittag aufgehoben.

„Die rächen sich für den Vortag“, glaubt ein Aktivist. Am Mittwoch, dem ersten offiziellen Tag des G-8-Gipfels war es tausenden von Globalisierungskritikern gelungen, die Straße zwischen Edinburgh und Gleneagles zu blockieren. Zahlreiche Gipfelteilnehmer kamen mit mehrstündiger Verspätung am Tagungshotel an, weil Aktivisten die Hoteleingänge in Edinburgh und Glasgow versperrten. Die schottische Polizei hatte daraufhin die offiziellen Protestveranstalter aufgefordert, die zunächst genehmigte Großdemonstration 500 Meter vor dem Tagungshotel abzusagen.

Doch zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Dutzend Busse aus London, Liverpool und Glasgow unterwegs. Am Ende waren es etwa 10.000 Aktivisten, die durch die engen Gassen des nahe gelegenen Highland-Dorfs Auchterarder bis auf 500 Meter vor die Golfanlage zogen.

An einer Stelle gelang es einigen hundert Aktivisten den zwei Meter hohen Doppelzaun umzureißen und die dahinter stehende Polizeikette zu durchbrechen. Zwei Polizisten auf einem Wachturm ergriffen panisch die Flucht. Von mindestens zwei verletzten Polizisten war am Ende des Tages die Rede, mindestens 90 Demonstranten wurden vorübergehend festgenommen.

Nach den Terroranschlägen sehen sich die Protestierer nun in einer verzwickten Lage. Einige der beteiligten Gruppen wollten am Abend eine schriftliche Erklärung abgegeben, in der die Anschläge ausdrücklich verurteilt wird. Den Protest ganz absagen wollen die G-8-Gegner zunächst nicht. „Solange die Staatsführer weiter tagen können, wollen wir auch weiter protestieren“, heißt es darin.

Für den heutigen und letzten Tag des G-8-Gipfels hatten Umweltinitiativen zum „G-8-Climate-Action-Day“ aufgerufen, um die Klimapolitik vor allem der Vereinigten Staaten zu kritisieren. Vorgesehen sind unter anderem verschiedene Aktionen und Demonstrationen in Glasgow, Edinburgh und auch in Gleneagles selbst.