: Deal mit Eile „ohne Not“
Morgan Stanley und Mappus werden in der Luft zerpflückt. Der Rechnungshof Baden-Württemberg lässt in einem (noch) halbwegs vertraulichen Gutachten kein gutes Haar an dem milliardenschweren EnBW-Deal des Exregierungschefs und der Investmentbank. Mappus habe „gefilterte“ Infos erhalten
von Meinrad Heck
Wieder neuer Stoff für den Untersuchungsausschuss des Landtags. Der Rückkauf der EnBW-Anteile in der Amtszeit von Exregierungschef Stefan Mappus von der französischen EDF für 4,7 Milliarden Euro am Parlament vorbei wird die Parlamentarier noch einige Zeit in Atem halten. Erst erklärte der baden-württembergische Staatsgerichtshof den Geheimdeal für verfassungswidrig (Urteil vom 6. Oktober 2011), dann entlastete die Staatsanwaltschaft den Exministerpräsidenten vom Vorwurf der Untreue und stellte ein Verfahren gegen ihn ein. Danach kamen peinliche E-Mails zwischen Mappus und seinem Freund Dirk Notheis von der beteiligten Investmentbank Morgan Stanley ans Tageslicht, und jetzt rechnet der Landesrechnungshof mit den Beteiligten ab.
Keine Aussage der Prüfer zum Milliarden-Kaufpreis
Kritiker des Deals aus SPD und Grünen hatten vor allem darauf gehofft, daraus Munition für eine noch offene Schadenersatzklage gegen Mappus zu erhalten. Doch in einer entscheidenden Frage ließen sich die Rechnungsprüfer (noch) nicht festlegen. Ob der im Dezember 2010 ausgehandelte Kaufpreis von 4,669 Milliarden Euro zu hoch gewesen war, ließ der Rechnungshof ausdrücklich „offen“. Die Prüfer konnten dies, so steht es in dem offiziell noch als vertraulich bezeichneten Gutachten, „mit den uns zu Gebote stehenden Erkenntnisquellen nicht valide beurteilen“. Sie lassen auch offen, ob dies in Zukunft je möglich sein wird.
Dafür gehen sie mit dem Procedere des Geheimdeals Ende 2010 hart ins Gericht. Bei dem Geschäft sei es „nicht in ausreichendem Maße gelungen, Regelungen zu vermeiden, die für das Land wirtschaftlich nachteilig sind“. Die damalige Landesregierung hätte durch einen Nachtragshaushalt „ermächtigt“ werden müssen. Der damals erst wenige Stunden vor Vertragsabschluss informierte Finanzminister Willi Stächele hatte nolens volens von einer „Notbewilligung“ gesprochen. Eine Formulierung, die der Landesrechnungshof jetzt als „nicht ausreichend“ kassierte. Geheimhaltung und Zeitdruck seien seinerzeit „ohne Not“ geschaffen worden.
Als Ohrfeige darf die Einschätzung der Prüfer für die damaligen öffentlichen Erklärungsversuche von Mappus & Co gelten. Argumente, wonach der Coup im Landesinteresse schnell und vor allem per Notbewilligung am Parlament vorbei vonstatten habe gehen müssen, erweisen sich laut Prüfern als „nicht tragfähig“. Eine behauptete „Gefahr für die Versorgungssicherheit“ sei „nicht dargelegt worden“.
„Wesentliche Risiken unberücksichtigt“
Außerordentlich hart geht der Rechnungshof in dem Papier mit der Investmentbank Morgan Stanley und deren Beratungsleistung für das Land um. Er kritisiert zwar nicht die Höhe des Kaufpreises, moniert jedoch, dass bei den Beratungen durch die Banker „wesentliche Risiken der künftigen Unternehmensentwicklung der EnBW nicht berücksichtigt“ worden seien. Stattdessen habe Morgan Stanley lediglich eine sogenannte Fairness-Opinion formuliert, und eine solche Meinungsäußerung alleine „reicht als Grundlage für einen Unternehmenserwerb dieser Größenordnung nicht aus“.
Bei der Beauftragung externer Berater sah der Rechnungshof ausdrücklich „Defizite“. Morgan Stanley war „ohne haushaltsrechtliche Ermächtigung“ beauftragt worden. Das Land und die für den Kauf eigens gegründete und dazwischengeschaltete Neckarpri GmbH müssen 12,8 Millionen Euro Beraterhonorar an die Investmentbank des Mappus-Freundes Dirk Notheis zahlen. Dafür wäre laut Prüfern jene Verpflichtungsermächtigung „erforderlich“ gewesen.
„Massives Interesse der Investmentbank“
Ein fettes Fragezeichen setzt der Rechnungshof auch hinter die Höhe dieses Honorars. Es sei „zweifelhaft“, ob dies „wirtschaftlich“ sei. Die Prüfer erklären: Zumindest hätten Vereinbarungen in Betracht gezogen werden müssen, die „nicht zu einem derart massiven objektiven Interesse der Investmentbank am Zustandekommen des Kaufvertrages und an einem hohen Preis geführt hätten“. Und schließlich erschien den Rechnungsprüfern „nicht nachvollziehbar“, dass Rechtsfragen des Geheimdeals nicht von Experten zuständiger Ministerien, sondern von einer externen Rechtsanwaltskanzlei geprüft wurden.
Gemeint ist die Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz, die zu Zeiten von Schwarz-Gelb bestens mit der Regierung vernetzt war. Tatsächlich habe Mappus „nicht hinreichend intensiv“ mit Rechtsberatern kommuniziert. Stattdessen seien dem früheren Regierungschef Informationen „vielfach über den Filter der Investmentbank zugegangen“. Jener Bank also, die wiederum das besagte „massive Interesse“ an dem Deal gehabt hatte.