: „Das wäre nicht zu bewältigen“
Jörn Pachl, Professor für Verkehrssicherheit, über die Verwundbarkeit von Bus und Bahn
taz: Herr Pachl, kann der öffentliche Personenverkehr sich vor Anschlägen schützen?
Jörn Pachl: Grundsätzlich nicht. Sie können allenfalls mit polizeilichen Mitteln etwas tun.
Warum gibt es keine Kontrollen wie an Flughäfen?
Weil es viel zu viele Bahnhöfe gibt. Allein die Deutsche Bahn hat etwa 1.000 Bahnhöfe. Das wäre nicht zu bewältigen. Jetzt denken Sie mal an die Zahl der Bushaltestellen. Sie können ja nicht die Leute durchleuchten, bevor sie in einen Stadtbus einsteigen.
Hat es solche Versuche schon mal gegeben?
In den USA ist nach den Anschlägen vom 11. September eingeführt worden, dass man sich beim Zugticketkauf mit Lichtbildausweis ausweisen muss. An Automaten allerdings klappt das nicht. Es gab auch Ideen, ein Ein- und Aus-Checken einzuführen, aber das wurde fallen gelassen.
Was ist höher gefährdet: Weichen und Stellwerke oder die Züge selbst?
Signalanlagen reagieren auch bei Zerstörung von Komponenten in der Regel zur sicheren Seite. Wenn was ausfällt, werden die Züge zum Halten gebracht. Bei der New Yorker U-Bahn ist vor kurzem ein Stellwerk mit 600 Relais durch einen Brand ausgefallen. Das gab eine Riesenbehinderung, aber niemandem ist etwas geschehen. Wer einen Anschlag plant, geht direkt auf Züge, Strecken oder Brücken.
In Berlin haben die Verkehrsbetriebe gestern Sicherheitsstufe „Gelb“ ausgerufen und Patrouillen angekündigt. Hilft das?
Das ist das Einzige, was man machen kann, um das Risiko ein bisschen zu reduzieren. Aber durch die Menschenmengen wird der Nahverkehr für Terroristen immer eines der lukrativsten Ziele bleiben.
Die Deutsche Bahn hat erklärt, Polizei und Bahnschutz achteten nach den Londoner Anschlägen auf verdächtige Gegenstände.
Das macht ja die Polizei schon routinemäßig. Aber wie wollen Sie einen Mann mit Aktentasche im Berufsverkehr als Terroristen identifizieren?
Züge, Busse und Bahnen gelten eigentlich als sicherste Verkehrsmittel. Wird sich das ändern?
Eigentlich sind sie auch am sichersten. Und: Man könnte sich ja auch einen Anschlag auf ein Autobahnkreuz oder den Hamburger Elbtunnel vorstellen.
Aber nach den Zugbomben in Madrid ist das nun schon der zweite große Nahverkehrsanschlag. Die Terroristen setzen ganz offensichtlich auf den Nahverkehr.
Natürlich sind die Leute jetzt verunsichert. Aber man muss ja irgendwie zur Arbeit kommen.
INTERVIEW: GEORG LÖWISCH