LONDONER ANSCHLÄGE SPALTEN DIE ARABISCHE ÖFFENTLICHKEIT : Rituelle Verurteilungen
Die offiziellen Stimmen aus der arabischen und islamischen Welt stimmen ausnahmslos in den Chor der „scharfen Verurteilung“ der Anschläge in London ein. „Barbarisch“ und „verabscheuenswert“, sind die Vokabeln, mit der auch Länder wie Iran, Syrien und selbst islamistische Organisationen wie die palästinensische Hamas oder die libanesische Hisbollah die Attentate charakterisieren.
Hat die arabische Öffentlichkeit wenig Zweifel, dass eine militante islamistische Gruppe aus den eigenen Reihen hinter den Anschlägen steckt, ist sie in Wirklichkeit bei der Einschätzung gespalten. Die Muslime und Araber müssen endlich konkret Position beziehen, und diesmal nicht einfach sagen: „Ja es war ein Verbrechen, aber wir verstehen die Motive die dahinter stecken“, fordern einige arabische Editorials. Die Opfer der amerikanischen und britischen Politik im Nahen Osten sind keine Opfer mehr, wenn sie sich, wie in London als Täter schuldig gemacht haben.
Und dann gibt es auch jene arabischen Apologeten, die sagen: der britische Premier Tony Blair ist selbst schuld mit seiner Nähe zur US-Politik in Nahen Osten.
Erst vor wenigen Tagen ging der irakische Botschafter bei der UN, Samir Sumaidaie, erhaben über jeden Vorwurf zur Nähe der irakischen Aufständischen, mit der Geschichte seines Cousin an die Öffentlichkeit. Muhammad hatte in seinem Haus in einem irakischen Dorf den US-Marines die Tür geöffnet. Glücklich, wie es heißt, ein wenig sein Englisch zu üben. Auf die Frage, ob der 21-Jährige eine Waffe besitze, führte er die Soldaten zu einem Gewehr ohne Munition. Das war der letzte Moment, in dem ihn die Familie lebend sah. Eine Stunde später verließen die Marines das Haus. Im Schlafzimmer fand die Familie Muhammad in einer Blutlache, mit einer Kugel im Genick.
Eine Bluttat in einem irakischen Dorf kann niemals den Terror in London rechtfertigen und andersherum. Und doch besteht zwischen beiden Ereignissen ein Zusammenhang, den militante islamistische Gruppen geschickt zu nutzen wissen.
KARIM EL-GAWHARY