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Archiv-Artikel

De La Soul ist nicht tot

HIPHOP „Geh zur Schule, Berlin!“ De La Soul machen intelligenten Rap. Trotzdem stand ihr Auftritt im Dot Club im Zeichen der Party

De La Soul lieferten das ab, was man eine klassische HipHop-Show nennen könnte. Drei Rapper texten live zu Musik aus der Konserve, spontan an zwei Scratchpads gemixt

VON RENÉ HAMANN

Sie haben sich für die Party entschieden. Vermutlich war das auch die richtige Entscheidung, denn der Kreuzberger Dot Club war brechend voll, die Leute haben lange warten müssen und vorher die denkbar größte Warteschlange außerhalb des Olympiastadions gebildet. Die Luft stand, die Körper rückten sich auf die Pelle, die Leute wurden ungeduldig, De La Soul aus Brooklyn schickten mit Frogg den eigenen Support und dann sich selbst auf die Bühne, um das Haus zu rocken.

Im Auftrag der Schlauen

Und sie rockten es. De La Soul, im Auftrag der schlauen schwarzen Jugend unterwegs seit 1988 (!), drei Rapper und kein MC, lieferten das ab, was man vermutlich eine klassische HipHop-Show nennen könnte. Also Musik aus der Konserve, spontan gemixt – was heutzutage ohne Turntables, sondern mit einem Klapprechner und einem Scratchpad funktioniert. Und drei gut aufgelegte Jungs in weiten T-Shirts, die zu gleichen Teilen abtexteten und das Publikum zum Mitmachen animierten.

Und das Publikum machte mit. Hob die Hände, wenn es galt, die Hände zu heben. Rief „ho“, wenn es „ho“ machen sollte, kreischte auf Anfrage, ob denn auch jeder die Party genieße und wie es Berlin so gehe und so weiter. Mase, Dave und Posdnous feierten sich und die Crowd, HipHop, Soul, Michael Jackson und Madonna, und vorübergehend blitzte der Humor auf, für den De La Soul geliebt und gefürchtet sind.

Sie haben sich für die Party entschieden, sie hätten sich allerdings auch anders entscheiden können. De La Soul gelten neben A Tribe Called Quest als führende Vertreter der sogenannten Native Tongues, als die intellektuellen Rap-Hippies mit dem schrägen Humor und den ausgefeilten Samples. Obwohl sie mit ihren ersten Platten, dem sensationell erfolgreichen Album „3 Ft. High And Rising“ von 1989 und der nachfolgenden Kampfansage „De La Soul Is Dead“, die damals poppigste und einem weißen Publikum gegenüber offenste Posse around war, müssen sie sich seit geraumer Zeit im „Alternative HipHop“-Fach zurechtfinden. Eingeholt von ihrem Image, haben De La Soul gegenüber dem stärker kommerzialisierten Gangstarap im Laufe der Alben Boden verloren. Sie waren einfach nicht dark genug, nicht soßig genug, nicht hart genug.

Sie hätten sich auch anders entscheiden können, nämlich: gegen die Party, für die Sophistication. Aber wahrscheinlich wussten sie, dass in einem solchen Kontext, trotz des gemischten weißen Großstadtpublikums, das nicht wirklich aus jungen Unterschichtkids bestand, sondern eher eine Mischung aus dem hier üblichen Rock- und Elektronikpublikum war, diffizile Texte und subtiler Humor neben ordentlich brillanten Tracks nicht so der Style waren, die Party zu machen. So gab es ein gut zusammengebrülltes Potpourri ihrer Hits; angeteaserte Breaks, viel „say ho“ und „say what“ und freundliche Liebe zur Menge.

So wurde nur manchmal angedeutet, wie unstumpf De La Soul eigentlich sind oder sein können. „Egotrippin“ von der jazzstarken, verdammt groovigen, überhaupt fantastischen Platte „Buhloone Mindstate“ von 1993, die damals eher untergegangen ist und für das Trio den Weg ins alternative Fach bedeutete, stach aus der Menge der an diesem Abend pumpigen, verspaßten Tracks heraus. Ansonsten herrschte „Stakes Is High“ und die eine oder andere Popnummer aus der Prince-Paul-Ära (dem spinnerten Produzenten und Musiker, der De La Soul durch die ersten Alben brachte), „Me, Myself & I“ oder „Ring Ring Ring“. Aber klar, was sollten die drei auch machen. Der Sound im Dot Club konnte nur einigermaßen schlecht sein, die Crowd war mit keiner aus den USA zu vergleichen, die letzte reguläre Platte ist von 2006, inzwischen gibt es Best-ofs und Tribute-Sampler. Schließlich ist das Trio schon seit über 20 Jahren unterwegs (und allesamt sind Familienväter um die 40, was man ihnen allerdings weder direkt ansieht noch anmerkt).

Kurzes, knackiges Set

Also gab es Hüpfnummern und Handtuchperformance, Hommage an James Brown, ein kurzes, knackiges Set mit ebenso kurzer Zugabe inklusive einer Haudraufversion von „The Magic Number“ („What is three times one?“ Publikum: „Say what?“ Mase: „Berlin, go to school!“). Ein guter, kurzer Spaß. Und wir waren raus.

Aufgetreten sind De La Soul übrigens im Rahmen der „All2gethernow“, die zurzeit mediale Wellen schlägt. Unter dem Kürzel a2n versteckt sich eine Plattform für Konzerte, Veranstaltungen, Podien, Konferenzen und sonstige Geschäftemacherei, die eher unter dem Tisch stattfindet, jedenfalls jenseits der großen Konzerne. Im Unterschied zur abgesagten Popkomm, die jetzt eigentlich hätte stattfinden sollen, sind die Veranstaltungen der a2n selbst organisiert – und nicht zentral gesteuert. Die unabhängige Musikindustrie emanzipiert sich weiter. Die Popkomm jedenfalls, das hat sich nicht nur auf diesem Konzert, sondern fast bei allen bisher laufenden Veranstaltungen gezeigt, vermisst keine Sau. Jedenfalls nicht in Berlin.