berliner szenen: Ekel ist selten folgenlos
Ich war mal mit einem Mann zusammen, von dem ich viel gelernt habe, auch in praktischer Hinsicht. So sollte ein Fahrrad, egal wie neu es ist oder wie viel es gekostet hat, immer ein bisschen schmuddelig aussehen. Eine Bananenschale, die hinten im Korb vor sich hingammelt, schadet nicht und ein dicker ausgekauter Kaugummi an der Lenkstange erst recht nicht.
Dass Ekel selten folgenlos bleibt, zeigt auch diese kleine Begebenheit: Der schwarze Hochglanztransporter stand schon völlig bescheuert im Halteverbot und im Weg, als ich nach Hause kam. Als ich später zum Einkaufen runter bin, stand er immer noch da. Aus dem Eckladen traten zwei junge Männer. Sie schlossen die Eingangstür und das Sicherheitsgitter davor ab. Ich hatte schon so ein Gefühl, aber egal. Im Vorbeigehen habe ich die Fahrerseite des Transporters angespuckt und bin unauffällig weitergegangen.
Doch kurz drauf hält der Wagen auf meiner Höhe und sein Fahrer, ein im landläufigen Sinn gut aussehender Kerl, so groß und schnittig, wie er war, schleudert mir seine Angewidertheit entgegen: „Beim nächsten Mal scheppert‘s!“ Ich sage, dass er ja auch woanders parken könne. „Wir haben gearbeitet!“ Ach so. Mit diesem Alleinstellungsmerkmal ist er natürlich von lästigen Langweilerpflichten supendiert. Das Zuckerl hat er sich für das Ende seiner Tirade aufgehoben: „Lass dich mal wieder ficken!“ Au ja, aber nur von dir.
Da hat ein junger Mann sich von ein bisschen Spucke so aus dem Konzept bringen lassen, dass die allerallerverstaubtesten Kamellen aus ihm herauspurzeln, schon verrückt. Ich möchte ihm aber zugutehalten, dass er mir letztlich kaum Angst eingejagt hat. Na gut, es war hell und schön viel Abstand zwischen uns, doch es gibt genug Leute, bei denen man diese Art der Unmutsbekundung unbedingt besser sein lässt. Katrin Schings
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen