: Jute, äh, Baumwolle statt Plastik
ORTSTERMIN Die Bremer Grünen fordern eine „Steuer auf Plastiktüten“ und fragten Anfang Juni den Senat. Bis der antwortet, verteilen sie schon mal Stoffbeutel in der Fußgängerzone – und ernten Zustimmung
„Möchten Sie eine Tasche?“, fragt Linda Neddermann den Passanten. Der nimmt sie – und ist schon wieder verschwunden. Auch der Nächste freut sich über den Beutel. „Plastic Is A Killer“ steht darauf. Aber warum die Grünen-Abgeordnete die Dinger überhaupt verteilen, interessiert ihn nicht.
„Die Taschen sind fast alle“, freut sich Neddermann, dabei sind erst zehn Minuten vergangen seit Beginn der Aktion „Auf Plastiktüten verzichten!“, die am Dienstag in der Sögestraße lief. Ob die Beutel aus fair gehandelter Baumwolle seien? „Davon gehe ich aus“, sagt Neddermann.
Anfang Juni haben die Grünen den Senat nach einer „Umweltsteuer auf Plastiktüten“ gefragt. In Irland würden seit Einführung der Steuer 90 Prozent weniger Tüten gekauft, so die grüne Umweltpolitikerin Maike Schaefer. „Vier Prozent des weltweiten Rohöls werden für deren Produktion benutzt“, sagt sie, „rund 20.000 Tonnen Plastik landen jährlich in der Nordsee“ – und eben auch in den Mägen von Fischen oder Vögeln, oft mit tödlichen Folgen.
Der Einzelhandel aber lehnt eine „Plas Tax“ ab. Im März erklärte Kai Falk, Geschäftsführer des deutschen Handelsverbandes, die Deutschen seien „Weltmeister im umweltbewussten Plastiktüten-Verbrauch“, und es gebe überall auch ohne gesetzliche Regelungen Alternativen.
Den Grünen aber reicht das nicht. „Gerade in Klamottenläden wird alles ungefragt und ohne Aufpreis in eine Tüte gepackt“, sagt Schaefer. Auch in den Gemüseabteilungen oder in Drogerien gäb’s Plastiktüten umsonst: „Da packt man einen einzigen Kajalstift in eine Tüte – würde sie zehn Cent kosten, würde man bestimmt drauf verzichten.“
Auf der Straße, Aug’ in Aug’ mit den grünen Abgeordneten, beteuern die Bürger ihre Unschuld: „Ich habe immer eine Stofftasche dabei“, sagt ein Passant. Eine ältere Dame zeigt ihren Nylon-Beutel vor, eine Frau schwört, „normalerweise“ nie Plastiktüten zu verwenden. Jene, die sie unübersehbar in der Hand trägt, hätte sie aber unbedingt haben wollen, wegen des Aufdrucks „Böttcherstraße“. Den Beutel von den Grünen will sie auch. SCHN