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Archiv-Artikel

Luxemburger stimmen für EU-Verfassung

Mehrheit spricht sich bei Volksabstimmung für europäisches Grundgesetz aus. Damit bleibt auch Regierungschef Jean-Claude Juncker im Amt. Dem werfen Kritiker der Verfassung Erpressung vor. Fortgang des Ratifizierungsprozesses noch unklar

VON CLARA ROSENBACH

Das Schicksal der EU-Verfassung und Jean-Claude Junckers ließ sich gestern Nachmittag live im Internet verfolgen. Kaum war ein Wahlbezirk ausgezählt, wurde das Ergebnis der Luxemburger Volksabstimmung über die EU-Verfassung auf der Referendum-Seite veröffentlicht. Die beiden roten und grünen Balken wuchsen von Minute zu Minute in die Höhe. Lange war völlig unklar, welcher gewinnen würde.

Schließlich aber stand fest: Die Luxemburger haben das Referendum mit 56,5 Prozent angenommen. Sie stimmten damit nicht nur für die EU-Verfassung, sondern sprachen sich auch für ihren Premierminister Jean-Claude Juncker aus. Der hatte angekündigt, im Falle eines Neins von seinen Ämtern zurückzutreten. Das wollten die meisten Luxemburger dann wohl doch nicht in Kauf nehmen. „Was sollen wir denn ohne Juncker machen?“, fragte ein älterer Mann nach seiner Stimmabgabe in Luxemburg-Stadt.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte das Ergebnis des Referendums „mit großer Befriedigung“. Mit dem positiven Ergebnis aus Luxemburg haben inzwischen 13 EU-Länder den Verfassungstext ratifiziert. Die Luxemburger haben damit – nach den negativen Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden – den endgültigen Tod des Textes vorerst verhindert. Denn bisher haben sich nur Parlamente dafür ausgesprochen. In Luxemburg war es erstmals die Bevölkerung direkt.

Die Luxemburger Regierung hatte in den vergangenen zwei Wochen alle Kräfte mobilisiert, um die Bevölkerung von dem Text zu überzeugen. Denn auch die sonst so mustergültigen Luxemburger begannen in den vergangenen Wochen, am Sinn der EU-Verfassung zu zweifeln. „Die Holländer und die Franzosen hatten gute Gründe, Nein zu sagen, und die sind auch nicht blöder als wir“, sagte Gast Gibéryen, Chef der populistischen Partei ADR, die sich als einzige gegen die Verfassung ausgesprochen hatte. Sie sprach sich auch gegen den Beitritt der Türkei aus und warnte die Wähler vor Billiglöhnen in Luxemburg, sollte die Verfassung in Kraft treten. Aber alle großen Parteien – auch in der Opposition – hatten den Kurs von Jean-Claude Juncker unterstützt. In der letzten Woche vor dem Referendum fanden täglich mehrere Informationsveranstaltungen statt. Juncker selbst ließ keine Gelegenheit aus, für den Text zu werben. Er besuchte sogar drei Gymnasien, um die Jungwähler von dem Text zu überzeugen. Zu den Befürwortern gehören auch die großen Gewerkschaften, Naturschutz- und Bauernverbände. In der Samstagausgabe der größten Luxemburger Tageszeitung d’Wort warben 29 Luxemburger Persönlichkeiten auf der Titelseite für das Ja.

Die Verfassungsgegner hatten die massive Kampagne immer wieder hart kritisiert. „Juncker hat die Menschen mit seiner Rücktrittsdrohung erpresst“, sagte André Kremer vom Komitee für das Nein, das sich aus mehreren linken Gruppen zusammensetzt. Wie der Ratifizierungsprozess weitergehen wird, ist unklar. Die meisten EU-Mitgliedsstaaten hatten – nach dem Nein aus Frankreich und den Niederlanden – den Ratifizierungsprozess vorläufig ausgesetzt. Als Nächstes sollen die Polen vor Ende des Jahres abstimmen.