: Das Montagsinterview„Comic muss nicht komisch sein“
Nicht alle Freunde der neunten Kunst lieben Buchhaltung. Wichtig aber ist ein Gespür für Text oder ein Auge für Grafik. Oder beides?TEXT ODER BILD Bert Dahlmann zeichnet nicht. Aber mit Comics hat der Bremer lesen gelernt. Mit dem europaweit gefeierten Independent-Magazin Panel kämpft er seit guten 20 Jahren für die Anerkennung der neunten Kunst
■ Der Bremer ist Chefredakteur von Panel sowie Vorsitzender des Panel eV. Als Herausgeber hat er Alben wie „Der Mondgucker“ von Ulf K. betreut, das 2002 den Max und Moritz-Preis erhielt, oder Markus Groliks „on the run“. Der wortlose Band bekam 2004 den Independent Comic-Preis für das beste Szenario.
■ Panel wurde 1999 als erstes nicht-frankofones Fanzine mit dem „Prix Alph’Art“ in Angoulême ausgezeichnet, erhielt den „Prix BD“ in Sierre sowie 1998 und 2002 den Erlanger „ICOM-Award“.
INTERVIEW BENNO SCHIRRMEISTER
taz: Herr Dahlmann, jetzt mache ich das Band mal an, okay?
Bert Dahlmann: Natürlich!
Dass Comics nicht mehr so verpönt sind, wie vor 20 Jahren…
…würde ich so nicht sagen.
Ach?!
Nein. Die Ansicht: Comics taugen nichts, außer Asterix, ist noch sehr verbreitet – obwohl längst das Umgekehrte gilt.
…das ist echt nicht passé?
Das ist auch eine Generationsfrage. Aber die Widerstände halten sich: Als wir unseren Kunstverein angemeldet haben, hat es anderthalb Jahre gedauert, bis wir als gemeinnützig anerkannt wurden. Weil: Wir machen ja Comics. Bei jeder Randsportart ist das in ein paar Wochen erledigt.
Wenigstens gilt Comic nicht mehr als reines Kindermedium. Ist das für Panel günstig?
Durchaus: Seit etwa zehn Jahren machen wir eigentlich – das klingt ziemlich bescheuert – Comix für Erwachsene, also im Sinne von: Kinder können damit nicht allzu viel anfangen, nicht: irgendwelcher Schweinkram. Wobei immer ein paar Sachen im Heft sind, die sich gut für Kinder eignen. Nur bestreiten wir damit keine ganze Ausgabe.
Aber Alben: „Der Mondgucker“ von Ulf K. lässt sich doch prima als Kinderbuch lesen?
„Heinz und Pifie“ von Rautie sogar noch besser.
Heinz und Pifie?
Die Geschichte ist skurril: Da ist ein Legastheniker, der sucht einen Mitbewohner. Es meldet sich ein elend langer Wurm, beide verstehen sich auf Anhieb und wollen zusammen essen. Was? Pinguin-Ragout natürlich! Wo gibt’s Pinguine? Nur noch auf dem Mond. Also machen sie sich mit dem Sandmann auf den Weg dorthin. Und das ist erst der Anfang der Geschichte…
Sie haben nie selbst gezeichnet.
Nie stimmt nicht ganz: Als Kind habe ich häufig gestrichelt. Aber das klassische Bedürfnis, Lehrer zu karikieren, hatte ich nicht…
… nur das, ein Comic-Magazin zu gründen: Wie kommt’s?
Ich habe mit Comics lesen gelernt. Erst wurden mir immer Bücher in die Hand gedrückt. Die fand ich völlig reizlos. Meine Großmutter fing dann an, mir jede Woche ein Comic-Heft zu schenken, „Fix & Foxi“ und so. Die habe ich mir natürlich angeguckt, das meiste habe ich auch verstanden. Aber eben nicht, was in den Sprechblasen stand. Dadurch kam der Wille, zu lesen.
Von „Fix & Foxi“ zum Independent-Comic-Verlag?
Ein wenig Zeit ist da schon vergangen.
Ja?
Ein paar Freunde haben mir gezeigt: Es gibt noch mehr als Micky Maus. Gute Unterhaltung ist möglich, das kann sozialkritisch sein, Comics können eine literarische Ebene enthalten. Das waren Augenöffner …
Konkret?
André Franquin,…
…die „Idées Noires“?
Natürlich, die „Schwarzen Gedanken“ sind gesellschaftspolitisch, sehr böse, sehr bissig – genial! Was Unterhaltung angeht, war es aber „Das Nest im Urwald“: Da dachte ich, aha, du kannst so eine Sielmann/Grzimek-Reportage im Comic umsetzen – und dabei gleichzeitig auf die Schippe nehmen. Außerdem: Das Marsupilami ist einfach cool. Ganz wichtig war dann Coseys „Auf der Suche nach Peter Pan“: Damit habe ich entdeckt, dass Comics auch poetisch, fantasievoll und anrührend sein können. Das war für mich entscheidend.
Dadurch kam es zu Panel ?
Im Laufe der Zeit wollte sich eine Gruppe von etwa 15 Leuten dem Thema widmen. Daraus entstand die Idee für ein Magazin.
Einfach so?
Der Auslöser für mich war, als ich 1988 erstmals beim Comic-Salon in Erlangen war. Die großen Verlage erzählten da: Deutsche Zeichner gibt’s ja nicht, sie würden diese ja drucken, es müsste bloß ein Forum geben und was nicht alles. Und ich dachte: Klasse, die suchen uns. Wir müssen bloß anfangen, in zwei Jahren ist das Heft etabliert, die übernehmen unsere Zeichner, und wir können uns zurückziehen.
20 Jahre und 27 Ausgaben später: War denn das inhaltliche Konzept erfolgreicher?
Moment mal: Es gibt nicht ein Heft, wo wir nicht auch neue Leute vorgestellt hätten. Und etliche von unseren Zeichnern haben den Durchbruch geschafft. Die Liste ist mittlerweile ziemlich lang und einige sind nicht nur national sehr erfolgreich: Elke Steiner, Christian Moser, Markus Grolik, Nic Klein, Kat Menschik …– selbst die mehrere Dutzend Namen auf unserem letztjährigen Flyer sind ja nur ein kleiner Auszug. Wir konnten sie nur fördern, doch immerhin haben wir sie entdeckt. Das war, wofür wir angefangen haben – und was leider nicht mehr ganz so einfach geht.
Warum das denn?
Von uns aus: Uns tut das weh.
Es gibt keine Talente mehr?
Doch. Aber man wird ungerechter: Vieles von dem, was wir heute ablehnen, hätten wir vor zehn Jahren genommen. Auch deshalb haben wir die Strips nach acht Jahren Pause wieder eingeführt und auf unserer Website die „Entenstraße“ erfunden. Ein virtueller Comic. Der ist offen für neue Talente, da lässt sich etwas ausprobieren.
Verfolgt Panel eine Linie?
Vor allem wollten wir es uns nicht leicht machen.
Das heißt?
Am besten verkauften sich früher die underground-punkigen Ausgaben. Eine, die komplett so aussah, verkaufte sich wie Hölle. Hätten wir so weiter gemacht, wären wir wohl bei ganz anderen Auflagen. Wir haben uns das Heft angeschaut und gesagt: Klasse Ausgabe, würden wir jederzeit wieder machen – aber: nicht jederzeit immer wieder.
Ein bewusster Verzicht auf größere Auflagen?
Nein, wir haben oft genug zusammen gesessen und uns gefragt: Wie werden wir populärer?
Und nie: Hören wir jetzt auf?
Von wegen! Wir waren sogar mal ganz kurz davor: Wir hatten einen Riesenberg Schulden – und keine Ahnung, wie den loswerden: Wir wollten ja Comix machen, nicht Buchhaltung. Aber wir haben uns gesagt: Kaum ein deutsches Indie-Comic-Magazin hat so lange durchgehalten und keins ist dabei so weit gekommen – das dürfen wir nicht einfach aufgeben. Wir müssen es noch einmal versuchen. Dann aber nur mit Sachen, die wir mögen und die uns wirklich interessieren.
Und?
Sofort stiegen die Verkaufszahlen: Die Leser haben kapiert, dass wir mehr dahinter stehen. Nicht dass wir vorher zu glatt gewesen wären. Aber es gab die Tendenz, das Populärere zu nehmen, und nicht das Schrägere. Seither ist es eher umgedreht – nach dem Motto: Kunst darf auch unterhalten. Aber Comic muss nicht komisch sein.
Muss er denn gut gezeichnet sein oder toll getextet?
Ob der Text wichtiger ist, oder die Bilder – bei der Frage kannst du dich nur erschießen: Die Graphik muss zur Story passen. Und: Was du erzählst, sollte einen Sinn ergeben. Sonst ist in Panel fast alles möglich.
Außer Farbe?
Anfangs hieß es, entweder, wir drucken nur ein Cover in Farbe - oder ein ganzes Heft, aber schwarz-weiß. Das war schnell zu entscheiden. Aber daraus ist eine Tugend geworden, weil du in Schwarz-Weiß zeigen musst, dass du etwas kannst. Wobei Panel-Prinzip ist: mehr Schwarz, als Weiß.
Wieso?
Weiß, das sind Leerflächen, die gefüllt werden müssen. Schwarz ersetzt bei Schwarz-Weiß alle Farben, Dabei ist es relativ schnurz, ob du nun strichelst, mit Graustufen oder Rastern arbeitest – alles ist möglich. Es gab sogar mal eine Phase, da haben alle gepunktet – ich weiß auch nicht, was die dabei für ein Kraut geraucht haben: Das war ja alles Handarbeit.
Die redaktionelle Arbeit ist heute aber leichter?
Eher im Gegenteil. Einmal ist die Redaktion ziemlich ausgedünnt: Bei den letzten Nummern lag die bei ein bis zwei Leuten. Und wir sehen natürlich mehr als früher – du fängst an, im Pixelbereich Sachen zu ändern…
Das sieht doch keiner!
Selbst wenn sie es nicht sehen: Die Leute merken, wenn da etwas nicht stimmt. Die Alternative wäre, das den Künstlern zum Überarbeiten zurück zu schicken. Aber dann würden wir wohl nur alle 20 Jahre einmal erscheinen.
Einmal im Jahr ist schon selten genug.
Eigentlich sollte das Heft dreimal jährlich erscheinen, aber dafür fehlt es an allem – außer Ideen: Davon hätten wir genug. Zum Fünfjährigen hatten wir eine Ausstellung in der Kulturkneipe Lagerhaus mit 14 Tage Live-Programm…
…und diesmal: Nichts – bis auf die kryptische 20 im News-Thread?
Nein, ’tschuldigung, eine Ausstellung wird es geben. Wir gehen das gezielt an für kommendes Jahr.
Wo?
Wissen wir noch nicht! Allerdings macht es keinen Sinn monatelang ’ne Ausstellung vorzubereiten und dann kommen nur 100 Leute zur Vernissage, zum Sekt trinken. Wir wollen auch Leute erreichen, die sich nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Die sind oft positiv überrascht: Ach, das geht auch! Dieser Augenöffner-Effekt, um den geht’s.
Im Netz: www.edition-panel.com Im Oktober erscheint: Rautie & Raul, Willy the Kid, 2 Bde. jeweils ca. 5,50 Euro;In Vorbereitung: Panel – ambixious comix, Nr. 28
Hinweis:Reichlich vollmundig verspricht das erste Panel-Cover, „schon heute mit den Zeichnern von morgen“ zu erscheinen (links). Die Redaktion hat Wort gehalten: Die Anmutung von Nr. 18 mit Cover von Ulf K. wirkt nicht nur durchs norddeutsche Fischgräten-Logo deutlich professioneller. Rechts: 2007 wiederbelebt Georg von Westphalen ein – leider megalomanes – Mon-Chi-Chi. Rechts oben: Der Münchner Star-Grafiker Christian Moser legt 2002 mit „Was bisher geschah...“ sein bislang einziges Comic-Album vor – in der Edition Panel