: berliner szenen Altern
Punkrock ist ehrlicher
Sogar die Schaufenster tragen Trauer: Vivienne Westwood hat ihren Job als UdK-Professorin an den Nagel gehängt, letztes Wochenende war Abschied mit großem Tamtam – jetzt hat man schon das Schaufenster des Designerladens „T & G“ in der Rosenthaler Straße, wo die Kollektionen der Ex-Punk-Stylistin verkauft werden, umdekoriert. „Bye bye, Vivienne Westwood! The show is over, darling!!“, steht da auf einem Schild – in der Hoffnung, dass die Strahlende noch mal kurz vorbeischneit. Ein Anzug für 1.149 Euro: Man war ja schon stolz, sie in der Stadt zu haben. Auf einem zweiten Schild im Fenster heißt es „Hi Viv’, thank you for the music!“. Zum Abschied Abba. Das sollte Vivienne lieber nicht mehr sehen.
Ein paar Meter weiter, Haus Schwarzenberg, wo Mitte noch ein bisschen Punk ist: Im Kino Central laufen zum 60. Geburtstag von Debbie Harry ein paar Filme, in denen „Blondie“ mitgespielt hat. David Cronenberg, Jonas Akerlund, John Waters. Warum nicht auch „Mein Leben ohne mich“? In dem war sie doch fantastisch, sah unfassbar fertig aus, nahm nicht mal zum Wäscheaufhängen die Fluppe aus dem Mund. Vom Leben und vor allem vom Punk gezeichnet: Debbie Harry ist nun also auch 60 – und man sieht es. Vivienne Westwood ist 64 – und das sieht man noch mehr.
Zurück auf der Rosenthaler: ein Plakat für ein Konzert von Diana Ross. Altersmäßig fällt Ross irgendwo zwischen Westwood und Harry, allerdings möchte sie auf keinen Fall, dass man ihr das ansieht. Lifting, Botox, Photoshop: Auf dem Plakat wirkt sie wie eine junge Strandurlauberin. Altern Punks ehrlicher? Vielleicht, denn mit Punk hatte Diana Ross nun wirklich nie was am Hut. Nur besoffen war sie angeblich schon oft. JAN KEDVES