Fieberhafte Suche nach einer Bleibe

SOZIALES Eine Hausverwaltung setzt 80 Roma in Moabit vor die Tür. Der Bezirk Mitte und Hilfsvereine sind überfordert. Eine Wohnung zu finden ist doppelt schwer: Der Markt ist eng, Vermieter haben Vorbehalte

Erneut sind in Berlin mehrere Roma-Familien obdachlos geworden. Nachdem am Montag rund 80 rumänische Roma, darunter Familien mit kleinen Kindern, aus ihren Wohnungen in Moabit ausziehen mussten, sind Hilfsvereine und der Bezirk Mitte mit der Unterbringung überfordert. 10 bis 20 Kinder und Erwachsene übernachten seither in Bussen am Leopoldplatz, berichtet Heinz Noppert vom bezirkseigenen Präventionsrat. Einige konnten bei Verwandten und FreundInnen unterkommen. Zwei Familien konnten neue Wohnungen beziehen.

Bereits im Mai 2009 mussten 40 rumänische Roma-Familien im Görlitzer Park in Kreuzberg unter freiem Himmel schlafen. Anschließend konnten sie für einige Tage bei dem BesetzerInnen-Projekt „New Yorck“ im Gebäudekomplex Bethanien unterkommen. Ende Juni verließen die meisten die Stadt, nachdem jedeR Erwachsene vom Senat 250 Euro erhalten hatten.

Die 80 Roma in Moabit hatten seit März 2010 in unsanierten Unterkünften, vermietet vom Verein Humanitas Kinderhilfe, gelebt. Am Montag rückte die Polizei an, um die Wohnungen zu räumen – die Roma verließen daraufhin das Haus in der Turmstraße 64 aus eigenen Stücken. Die Verwalterin des Gebäudes will die Wohnungen entkernen und komplett sanieren. Unklar ist, wie viele der Roma noch einen gültigen Mietvertrag für die Unterkünfte hatten.

Es gab keine Kündigung

„Die Menschen sind aus der Turmstraße rausgeworfen worden“, erklärt Carolin Holtmann, Geschäftsführerin des Vereins Kulturen im Kiez, der fünf betroffene Familien seit April betreut. Eine Kündigung habe es nicht gegeben. Vor zwei Wochen habe die Hausverwaltung ein Papier in der Turmstraße ausgehängt, in dem angekündigt wurde, „dass zum 30. Juni die Wohnungen zwangsgeräumt und verschraubt werden“, berichtet Holtmann. Die Familien hätten die Hausverwaltung angefleht, noch zwei Tage länger bleiben zu dürfen – damit sie Ausweichquartiere finden könnten.

Auch Mittes Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) spricht von einem Auszug unter Druck. Die Hausverwaltung wie auch der Vermieter Lutz Thinius, Vorsitzender des Humanitas-Vereins, äußerten sich gegenüber der taz trotz mehrfacher Aufforderung nicht zu dem Vorfall.

„Die Familien, die noch keine Bleibe gefunden haben, sorgen sich insbesondere um ihre kleinen Kinder“, erzählt Holtmann. Seit Mai sucht ihr Verein neue Wohnungen für jene fünf Familien, die an dem Vereinsprojekt „Spielen und Lernen – Mütter und Kinder auf dem Weg in die Schule“ teilnehmen. Für die 26 rumänischen StaatsbürgerInnen sei es besonders wichtig, in der Nähe der Carl-Bolle-Grundschule, die die Kinder besuchen, wohnen zu bleiben.

Auch Bezirksbürgermeister Hanke weiß, wie problematisch es für Roma ist, eine neue Wohnung zu finden. Viele VermieterInnen hätten eine Menge Vorbehalte. Der Bezirk unterstütze allerdings nur jene Familien bei der Wohnungssuche, die zeigten, dass sie sich in die Gesellschaft eingliedern wollen, sagte er.

„Das Bezirksamt hat leider keine kommunalen Wohnungsbestände“, sagte Heinz Nopper vom Präventionsrat Mitte. Er stehe aber im Gespräch mit der katholisch geprägten Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft, die einen Wohnkomplex in der Harzer Straße besitzt. Diese will die Familien erst einmal kennenlernen, bevor sie eine Entscheidung treffen kann.

Am Mittwochabend versuchte Carolin Holtmann, fieberhaft einen Schlafplatz für eine Familie mit drei Kindern zu finden, um sie vor einer Nacht im Park zu bewahren. Erst in allerletzter Minute fand sich eine Unterkunft.

KERSTIN DEMBSKY