: Zehn Jahre Geburtshaus Bremen
Jubiläum In Bremen kommen drei Mal so viele Kinder wie im Bundesdurchschnitt nicht in einer Klinik zur Welt: Ein großer Teil von ihnen im Geburtshaus in Findorff. 1.000 Neugeborene waren es in zehn Jahren
■ Solange während der Schwangerschaft nichts auf eine komplizierte Geburt hindeutet, stehen Geburtshäuser allen offen. Die Kosten trägt die Krankenkasse. Die Geburtshäuser erheben eine Rufbereitschaftspauschale (300 bis 500 Euro).
■ Eine aktuelle Vergleichsstudie des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen zeigt, dass Geburten in der Klinik nicht sicherer sind als zu Hause oder im Geburtshaus.
■ Fast 15 Prozent aller außerklinisch begonnen Geburten wurden 2010 in ein Krankenhaus verlegt – nur ein Prozent davon in Eile. EIB
Quellen: quag.de, gkv-spitzenverband.de
Das alljährliche Sommerfest des Geburtshaus Bremen ist dieses Jahr etwas Besonderes: Heute feiern Hebammen und Eltern das zehnjährige Bestehen dieses alternativen Geburtsortes, dem ersten seiner Art in Bremen.
Fast 1.000 Kinder sind seit der Eröffnung am 2. Juli 2002 in dem großen Haus in einer Findorffer Wohnstraße zur Welt gekommen; weitere 200 Hausgeburten haben die Hebammen begleitet. Und fast alle der sechs Frauen, die das Geburtshaus damals gründeten, sind noch dabei.
Eine von ihnen ist Urte Riebenbach. Seit 20 Jahren arbeitet sie in ihrem Beruf. Nach einer Anfangszeit in der Klinik begleitete sie in den 90ern in einer Bremer Hebammenpraxis Frauen bei Hausgeburten. Bei dieser Arbeit, so erzählt sie, habe sich herausgestellt, dass sich viele Frauen eine Alternative zu den zwei möglichen Geburtsorten – Klinik oder Zuhause – wünschen.
Die Nachfrage danach ist in Bremen so groß, dass 2003 ein weiteres Geburtshaus eröffnet wurde. Und für einige Jahre gab es in der Stadt sogar drei, während in Hamburg nur eins existiert. Die Vorliebe der Bremerinnen für Hausgeburten und Geburtshäuser spiegelt sich auch in Zahlen wider: Während im Bundesdurchschnitt nur zwei Prozent aller Kinder nicht in einer Klinik geboren werden, sind es in der Stadt Bremen sechs Prozent.
Und welche Frauen entscheiden sich gegen die Geburt im Krankenhaus? „Die kann man nicht über einen Kamm scheren“, sagt die Hebamme Riebenbach. Die Gemeinsamkeit sei, dass sie sich zutrauen, ihr Kind selbst gebären zu können – und nicht glauben, auf die Hilfe von ÄrztInnen angewiesen zu sein.
Sabine Vieth etwa hat ihr erstes Kind vor zehn Jahren in einer Klinik bekommen. „Während der Geburt gab es einen Hebammen-Schichtwechsel“, erzählt sie, auch habe sie alles als sehr fremdbestimmt erlebt. Daraufhin hat sie während der zweiten Schwangerschaft nach Alternativen gesucht. Und vor zehn Monaten hat sie ihr drittes Kind im Geburtshaus geboren.
Vielen sei wichtig, diejenigen, die sie bei der Geburt begleiten werden, vorher zu kennen, bestätigt Riebenbach. Viele Schwangere würden deshalb nicht nur oder gar nicht zur Vorsorge zuihrer Gynäkologin gehen, sondern ins Geburtshaus. So lernen sie alle der jeweils drei Hebammen in einem der beiden Teams kennen.
Die Teamarbeit ist eine Besonderheit des Geburtshauses Bremen: Es gibt einen festen Dienstplan, der die Rufbereitschaft in der heißen Phase vor dem errechneten Geburtstermin regelt. Auf diese Weise müssen die Hebammen nicht rund um die Uhr verfügbar sein und haben anders als viele Kolleginnen die Möglichkeit, sich zu erholen.
Wegen des Geldes macht keine der acht Hebammen – zwei betreuen keine Geburten – ihren Job. 7,50 Euro netto verdienen freiberufliche Hebammen im Schnitt. Gleichzeitig steigt die Haftpflichtprämie: Derzeit sind es 4.242 Euro im Jahr. Riebenbach würde trotzdem immer wieder denselben Beruf wählen: „Ich bin bei ganz essenziellen Momenten im Leben der Familien dabei, das ist jedes Mal ein Geschenk.“ HMM/EIB