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Archiv-Artikel

Peter Grohmann Dumm gelaufen

Meine Omi Glimbzsch aus Zittau war nicht dumm, dachte sie. „Wennsde das Geld unterm Koppkissen hast, kanns keener holn. Und wenn, wachste auf.“ Als sie aufwachte, 1945, war's der Russe, der das Geld wollte, und da konnte sie natürlich schlecht Nein sagen.

Es gab mal eine Zeit, da war sie Millionärin, ein Los, das sie mit Millionen anderen Millionären teilte, in der Weimarer Republik, nach der schandbaren Niederlage, die fast so schlimm war wie das 2:1 neulich gegen Italien. Bei der Währungsreform 1923–1925 bekam sie für eine Billion Mark eine (eine!) Reichsmark, der Rest wurde verbrannt. Es war die Zeit, wo meine Omi vor lauter Geld nur noch im Sitzen schlafen konnte, weil das Kopfkissen zu hoch war. Nach der zweiten Niederlage, dem gewollten Ende der DDR, hatte sie aus dem Kopfkissen-Fehler gelernt und das Vertrauen zu den Banken zurückgewonnen. Sie spart jetzt auf ein Häuschen in guter Lage in Zwickau, wo ein offener Immobilienfonds das Projekt „Schoppen und hoppen im Alter“ realisiert, alles rollstuhlgerecht und mit Hausmeister, der den Müll runterbringt und den Schnee schippt,während er noch fällt. Aber sie kommt mit ihrem Konto nicht so richtig auf Touren. „Sparkassenbuch ist Scheiße“, meinte der Anlagenberater der Deutschen Bank vertraulich, „stecken Sie Ihr Geld doch lieber in einen geschlossenen Immobilienfonds!“ Das leuchtete ein, und sie investiere in den guten Namen der Deutschen Bank samt Zwillingstürmen, nie gebauten Riesenrädern in Peking und sehr schönen Appartments an der Costa del Sol. Jetzt, durch den Fiskalpakt und diesen ESM, ist sie freilich etwas verunsichert.

Das Geld, weiß sie, fließt zwar auch nach Spanien, aber ob's in ihrem Appartment je ankommt? ESM, hat sie im „Neuen Deutschland“ gelesen, heißt „Europäischer Stabilitätsmechanismus“ – genau das also, worauf sie ein Leben lang gewartet hat wie auf ihr zweites Hüftgelenk. Rolf Schwanitz (SPD), ihr persönlicher Bundestagsabgeordner aus dem Vogtland, hat den ESM bei der Abstimmung am 29. Juni 2012 allerdings abgelehnt, und jetzt ist sie noch stärker verunsichert. Liebe Omi Glimbzsch, hab Vertrauen! Es ist alles bestens geregelt, wie immer. Im Paragraf 9, Absatz 3 heißt es wörtlich: „Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.“ Und wir sind ja ESM-Mitglied, da kann gar nichts schiefgehen! Es bleibt unser Geld, so viel ist sicher, egal wo es liegt.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Gründer des Bürgerprojekts Die AnStifter.