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Archiv-Artikel

Bühne frei für Operation „Olympia“

Große Geschäfte brauchen große Bühnen und ebenso große Orchester. Der Geheimdeal des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus beim Rückkauf französischer EnBW-Anteile 2010 hatte einflussreiche Dirigenten im Hintergrund. Manches Medium hatte das Milliardengeschäft der Exklusivität wegen anfangs wohlwollend begleitet. Spindoctors hatten im Verborgenen die Strippen gezogen.

von Meinrad Heck

s war ein Montag – der 22. November 2010 –, und es waren noch knapp zwei Wochen bis zu dem Tag, den Morgan Stanleys Deutschlandchef Dirk Notheis seinerzeit den „D-Day“ zu nennen pflegte. Am 6. Dezember 2010 würde die Operation Olympia abgeschlossen sein. Der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus würde mit Hilfe seines Kumpels Dirk Notheis für 4,67 Milliarden Euro dem französischen Energieversorger EDF ihren EnBW-Anteil abkaufen. Streng geheim und am Parlament vorbei. So etwas will vorbereitet sein, und deshalb schrieb Notheis ein paar Zeilen an Mappus. „Du brauchst einen Medienspinn-Doctor“ [sic], riet er und empfahl die Frankfurter PR-Agentur Hering Schuppener. Die würde den MP „aufs Titelblatt bringen“. (der vollständige Wortlaut der E-Mail von Notheis an Mappus, inklusive einer von Notheis entworfenen Mappus-Rede und Tipps, wann der Ministerpräsident wen einweihen sollte, auf www.kontextwochenzeitung.de).

Für die guten Schlagzeilen sorgen, genau das taten die Kommunikations-Profis aus Frankfurt. Zielgerichtet und äußerst treffsicher. Wie alle Größen der sogenannten Kommunikationsbranche spielen sie mit Journalisten. Jedenfalls mit denen, die mit sich spielen lassen. Es geht diesen Spindoctors darum, „ausgewählten Journalisten Zugang zum Top-Management zu gewähren“, schneller zu kommunizieren als ihre Gegner und dadurch „die Deutungshoheit zu wahren“. Es funktioniert fast immer. Wie bei der Operation Olympia. Da ging die FAZ in die Bütt. Am Vorabend der Bekanntgabe des Deals gab's ein von Hering Schuppener organisiertes Exklusivinterview mit Mappus. Wer hätte sich eine solche Gelegenheit wohl entgehen lassen?

„Die schwäbische Hausfrau wird begeistert sein“

Der Exministerpräsident erklärte dem Blatt , was sein Einflüsterer Dirk Notheis ihm vorformuliert hatte: Den EnBW-Deal hätte „auch die schwäbische Hausfrau gemacht“. In der FAZ durften die Leser dann erfahren: „Die schwäbische Hausfrau wird begeistert sein.“ Mit so viel exklusivem Wissen spielen manche Medien gerne, wenn sie schon mit sich spielen lassen. Möglichst schnell wollte das Frankfurter Blatt seinerzeit eine Vorabmeldung publizieren. Das wiederum wollten die Kommunikationsprofis lieber selbst steuern.

Laut ihren vertraulichen E-Mails hatten sie sehr genau überlegt, wann sie das Interview „freigeben“. Nämlich an jenem D-Day frühestens um 15.30 Uhr. Schließlich, so steht es in der vertraulichen E-Mail-Korrespondenz zwischen Kommunikationsagentur, dem Mappus-Sprecher Dirk Metz und Morgan-Stanley-Chef Dirk Notheis geschrieben, schließlich sollte alles „glaubwürdig“ bleiben, damit „keiner auf die Idee kommt, es sei ein Vorab-Interview gegeben worden“. Tatsächlich hatte es genau das gegeben. Der FAZ-Mann war am Vorabend „um 20.30 Uhr vor Ort“. Zur Ehrenrettung des Blattes sei gesagt, dass die Redaktion dennoch ihren kritischen Blick nicht verloren hatte und im Sommer 2012 mit zu den Ersten gehörte, die Teile des peinlichen E-Mail-Verkehrs zwischen Notheis und Mappus publizierte.

„Er kann Angela mit seinen Truppen vernichten“

Seit ausgewählte Fragmente dieser mehrere hundert Seiten dicken Akte öffentlich kursieren, kann das Musterland mal wieder alles außer Hochdeutsch, zum Beispiel auch Englisch. Als seinerzeit drei Tage vor jenem D-Day zwischen Deutschen und Franzosen die Verhandlungen kurzzeitig stockten, ließ Mappus-Freund Dirk Notheis einen Vertrauten in diesem globalen Spiel wissen: „Don't underestimate the power of the guy. He controlls 30% of the party delegates and can kill Angela with his troops“ („Unterschätz nicht die Macht dieses Kerls“ – gemeint war Mappus. „Er kontrolliert 30 Prozent der Parteidelegierten und kann Angela“ – gemeint war die Bundeskanzlerin – „mit seinen Truppen vernichten“). Seitdem weiß die Landes-CDU, was Teile der mächtigen und bestens vernetzten Bankszene von ihr halten: nämlich nichts, außer dass ihre „Truppen“ auf Befehl von oben vermutlich blind gehorchen und marschieren.

Einer solchen Konversation ist ein gewisser Unterhaltungswert nicht abzusprechen. Auch nicht der freundlichen Wortwahl des Mappus-Freundes Notheis, der den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württembergs seinerzeit wissen ließ, dass der im Zusammenhang mit der Kaufpreisfindung gefälligst keine andere Bank als Morgan Stanley einzuschalten habe: „Du brauchst nur eine Meinung, und zwar von uns … Morgan Stanley ist die Nummer eins.“ Das könne Mappus „nachlesen“ und das „sollte reichen“. Letzteres hat mehr als nur Unterhaltungswert. Es interessiert den Rechnungshof Baden-Württemberg, in Zukunft womöglich auch ein paar Staatsanwälte und Gutachter, die von der grün-roten Landesregierung mit der Prüfung von Schadenersatzansprüchen beauftragt worden sind.

Die Herren Mappus & Co hatten – immerhin verfassungswidrig am Parlament vorbei und erst im Nachhinein abgesegnet – mal eben eine Größenordnung verschoben, die einem Sechstel des Landeshaushalts entspricht. Bei Deals dieser Größenordnung, in dieser Champions League der Hochfinanz gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Traue keinem und schon gar nicht nur einem Einzigen. Wie viel durfte seinerzeit das EnBW-Aktienpaket im Besitz der EDF denn kosten, und wer ermittelte diesen Preis?

Für solche Fälle gibt es den „Beauty Contest“. So nennt die Branche allen Ernstes den „Schönheitswettbewerb“, in dem Käufer oder Verkäufer die großen Geldhäuser antanzen lassen, um zu erfahren, wer denn Milliardendeals zu den besten Konditionen abzuwickeln in der Lage ist. Ein solcher Beauty Contest blieb dem Musterland erspart, denn der seinerzeitige Ministerpräsident Stefan Mappus hatte sich ja von seinem Morgan-Stanley-Freund sagen lassen: „Du brauchst nur … uns.“ Gesagt, getan. Und genau das macht jetzt den Rechnungshof sehr, sehr hellhörig. Mehr als alle E-Mail-Schnipsel, und seien sie noch so unterhaltsam.

„Hat einer der Herren die genaue Zahl der Aktien?“

„Hat einer der Herren die genaue Anzahl der Aktien?“, fragte ein Morgan-Stanley-Mann vier Tage vor Vertragsabschluss morgens um 01:33 Uhr die von Mappus eingeschalteten Rechtsanwälte der heute ebenfalls kritisch beäugten Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz. Immerhin sollte diese Zahl mit dem vereinbarten Kaufpreis von 41,50 Euro pro Aktie multipliziert werden, um auf eine Endsumme zu kommen. Wohlgemerkt vier Tage vor Vertragsabschluss. Da würden sich die baden-württembergischen Rechnungsprüfer im Sommer 2012 in ihrem 94-seitigen vertraulichen Gutachten eine Bemerkung nicht verkneifen können: Diese Zahl hätte doch bei Morgan Stanley „bekannt sein sollen“.

Wieder gibt es für solche Fälle einen Fachausdruck– „Due Diligence“. Übersetzt: mit der gebotenen Sorgfalt. So müsste eine Bank im Kundenauftrag das Unternehmen prüfen, das für viele Milliarden ge- oder verkauft werden soll. Ein Prozess, in dem nicht nur öffentlich zugängliche Daten börsennotierter Unternehmen unter die Lupe genommen werden, sondern ausdrücklich auch „unternehmensinterne“. Letzteres geschah beim EnBW-Deal nicht. Heute, nach Vorlage des kritischen Rechnungshofgutachtens, erklärt Morgan Stanley Deutschland, es habe sehr wohl eine Due Diligence gegeben. In den internen Dokumenten liest sich das etwas anders.

Die Landes-Anwälte von Gleiss Lutz formulierten im Dezember 2010 für Papiere, die nach dem Deal an die Öffentlichkeit gehen sollten: „Eine Due Diligence bei der EnBW erfolgte nicht.“ Daraufhin fragte Morgan Stanley die besagte Anwaltskanzlei dem internem Schriftverkehr zufolge: „Brauchen wir diese Aussage, dass keine Due Diligence bei der EnBW erfolgte? Wenn möglich eher vermeiden.“ Für den Rechnungshof war das, als ob man „eine Katze im Sack“ kauft. Und dieses Procedere ist – und bleibt bis zum Beweis des Gegenteils – für den Rechnungshof das „wesentliche Manko“.

Manches deutet darauf hin, dass Morgan Stanley nur eine sogenannte Fairness Opinion, eine Meinung, wonach der Kaufpreis fair sei, abgegeben hat. Die bis dato eben nicht nachgewiesene interne Due Diligence, also der tiefe Blick in die Bücher, dient den Landesprüfern aber dazu, den angemessenen Preis erst zu suchen und dann „zu finden“. Die „Meinung“ einer Bank sagt allenfalls aus, ob ein bereits „gefundener“ Kaufpreis „fair“ sei. Im Fall EnBW glaubte die Investmentbank, ein Blick auf öffentlich bekannte EnBW-Zahlen habe statt der unternehmensinternen ausgereicht, um sich „komfortabel“ zu fühlen. Was daraus an denkbaren Schadenersatz-Ideen folgert, wird Gutachter noch Monate beschäftigen. Morgan Stanley bleibt jedoch in einem Brief an den Stuttgarter EnBW-Untersuchungsausschuss dabei: „Wir haben feststellen müssen, dass der Rechnungshof das ausführliche Memorandum von Morgan Stanley, in dem die von uns durchgeführte Due Diligence und Bewertungsarbeit im Detail erläutert ist, ignoriert hat.“