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Archiv-Artikel

Bergbau im Palast der Republik

Die Palastruine verwandelt sich in diesem Sommer wohl zum letzten Mal in den „Volkspalast“. Mitten in dem Gebäude entsteht ein 44 Meter hoher Berg. Dort wird geklettert und philosophiert

VON TINA HÜTTL

Den überzeugten Berliner hat nie gestört, dass seine Stadt samt Umland flach wie eine Flunder ist. Meckernde Bayern und andere Zugezogene aus hügeligeren Gefilden wurden deshalb gern auf den Teufelsberg geschickt – oft in der stillen Hoffnung, dass sie womöglich nicht mehr zurückkehren. Doch auch die letzten verbliebenen Nörgler werden bald verstummen: Vom 4. bis 26. August bekommt Berlin sein eigenes Matterhorn – und zwar mitten im Palast der Republik.

„Die Kletterschuhe dürfen Besucher getrost zu Hause lassen“, sagt Amelie Deuflhard, eine der OrganisatorInnen des „Volkspalastes“. Statt der körperlichen Anstrengung stehe bei dem 44 Meter hohen Massiv eher die „geistige Betüchtigung“ im Mittelpunkt. „Der Berg ist das zentrale Grundgerüst, auf und in dem Künstler,Theatergruppen und Architekten ihre Performances geben“, erklärt Deuflhard. Das Konzept habe den Vorteil, dass der Palast somit nie durch Veranstaltungen blockiert ist und von morgens bis abends besucht werden kann.

Die Idee, in der Mitte des skelettierten Palastes einen begehbaren Berg zu errichten, stammt von der Architektengruppe „Raumlabor“. Sie plant, das Matterhorn-Imitat optisch aus dem Inneren der Palastruine erwachsen zu lassen, so dass seine Spitze auf deren Dach thront. Seine Ausläufer sollen den Schlossplatz erreichen. Tatsächlich wird der Berg aber in mehren Teilen gebaut werden, da das Dach des Palastes im Weg ist. Die Spezialisten für „unrealistische Großprojekte“ fluteten bereits im vergangenen Jahr den Palastkeller mit Wasser und verfrachteten Besucher in Schlauchboote.

Bei dem diesjährigen „Volkspalast“-Programm sollen alle „Touren“ im Foyer beginnen. Besucher können zwischen drei Wanderwegen wählen: Der Pilgerweg führt direkt zu einem „Pastor in der Felsenkapelle“, die gleichzeitig als Hauptveranstaltungsort für Performances und Theaterstücke dient. Echtes „Feeling“ soll dagegen auf dem Bergsteigerweg aufkommen. Installationen verschiedener internationaler Architekturbüros illustrieren hier die Gemütszustände zwischen Angst, Rausch und Erschöpfung beim Bergsteigen. Und wer auf dem Philosophenweg wandelt, findet auf einer Agora den kommunikativen Austausch.

Zum ersten Mal seit Bestehen des „Volkspalastes“ kann auch der achteckige Große Saal des Prestigebaus besichtigt werden, den die DDR-Führung einst als den modernsten Veranstaltungsraum Europas pries. Hier, wo der Fuß des gewaltigen Berges entsteht, wird sich in einem vier Meter hohen Bogen eine Brücke spannen, die die Besucher überqueren.

Lange haben die „Volkspalast“-Macher von den Sophiensälen und dem Theater Hebbel am Ufer für den Bergbau gekämpft, der etwa 70.000 Euro kostet. Erst am vergangenen Freitag erteilte die Bauaufsichtsbehörde die Genehmigung. Ab heute soll eine Gerüstfirma zusammen mit einem internationalen Architektenteam Stück für Stück eine 50 Tonnen schwere Stahlkonstruktion in den Palast schleppen. Wenn sie steht, wird eine so genannte Schrumpffolie darübergelegt, die sich – einmal erhitzt – wie eine Haut über den Unterbau spannt. Fertig ist der Berg.

Für Deuflhard ist eine Bergbesteigung ein Synonym für eine Suche – und daher sei der dem Abriss geweihte Palast der Republik der ideale Ort für so eine Höhenexpedition. Es ist wohl die letzte Kunstaktion. Doch Gipfelperspektiven weiten bekanntlich den Blick. Und vielleicht, so die Hoffnung, findet sich „von ganz oben“ ja doch noch eine andere Lösung für das Gebäude als der ab Dezember geplante Abriss mit anschließendem Schlossbau. Noch bevor der Gipfelsturm losgeht, gibt es ab 16. Juli schon mal Anregungen in der Ausstellung „X Ideen für den Schlossplatz“ im Foyer des Palastes.