: Spar-Hans im Minus
VON KATHARINA KOUFEN
Die Vertrauensfrage ist durch, die Neuwahlen sind beschlossene Sache. Es folgt: der Kassensturz. Heute will Finanzminister Hans Eichel seinen Haushaltsentwurf für 2006 und die folgenden Jahre vorstellen. Darin, so wurde im Vorfeld aus der SPD-Fraktion bekannt, wird Eichel in seltener Ehrlichkeit „harte Jahre“ voraussagen.
Für 2006 ist es dem Minister, der einst als „Spar-Hans“ antrat, immerhin gelungen, allzu offensichtliche Löcher verschwinden zu lassen: 21,5 Milliarden Euro will er über neue Schulden finanzieren, 23 Milliarden Euro über Privatisierungserlöse, weitere 20,5 Milliarden aus „sonstigen Einnahmen“. Selbst Insidern aus der Koalition ist jedoch nicht klar, was noch privatisiert werden könnte. Klar ist nur: Eichel erweist sich als kreativ, was das Verschieben von Verbindlichkeiten in die Zukunft betrifft (siehe Text unten).
Dabei muss die Regierung schon heute jeden fünften Euro für Zinsen ausgeben. Und bei schrumpfender Bevölkerung ist abzusehen, dass die Pro-Kopf-Verschuldung – derzeit liegt sie bei 17.000 Euro – noch ansteigen und den Spielraum künftiger Regierungen immer drastischer einschränken wird. Nach einer Prognose des Ifo-Instituts München wächst der Schuldenberg, der laut Brüsseler Stabilitätspakt nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen darf, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf 111 Prozent. Ein Bankrott à la Argentinien.
Richtig verfahren wird die Situation für Deutschland schon ab 2007. Dann klafft in den Kassen des Bundes ein zusätzliches Finanzloch von 25 Milliarden Euro. Denn spätestestens dann fällt auch Eichel kein weiterer Staatsbesitz mehr ein, der noch verkauft werden könnte. Daher entsteht laut SPD-Fraktion mittelfristig ein „struktureller Handlungsbedarf“. Konkret: Entweder steigen die Steuereinnahmen um diese Summe – dazu wären aber Erhöhungen um durchschnittlich 13 Prozent nötig oder ein Wachstum von 5 Prozent. Oder es wird drastisch gekürzt. Gleichzeitig bleibt die Neuverschuldung hoch: 2007 liegt sie laut Entwurf immer noch bei 20, 2009 bei 16 Milliarden Euro.
Fast schon vergessen scheint, dass Eichel einst mit dem Vorsatz antrat, „ab 2006“ ganz ohne neue Schulden auszukommen – wäre da nicht das Getöse der Union, die nun verspricht, das Wachsen des Schuldenbergs zu stoppen. „Bis 2013“ solle die Neuverschuldung auf null heruntergefahren werden, behauptet CSU-Chef Stoiber. Im laufenden Jahr wird sie laut Eichel bei 3,7 Prozent des BIP liegen – und damit zum vierten Mal in Folge höher als die im Stabilitätspakt erlaubten 3 Prozent. Noch bis 2007 rechnet der Finanzminister damit, die Grenze zu überschreiten.
In Brüssel wurde er am Montag schon mal vorgewarnt: Es sei wahrscheinlich, dass die EU das derzeit auf Eis liegende Defizitverfahren gegen Deutschland wieder aufnehmen werde, teilte Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia mit. In Berlin hofft man allerdings, dass das Verfahren ruht, bis die im März beschlossene Lockerung des Pakts Ende Juli in Kraft tritt. Demnach darf die Regierung die Grenze weiterhin verletzen. Sie muss aber glaubhaft machen, dass dies nur geschehe, weil das Wirtschaftswachstum schlechter ausfalle als erwartet. Auch Frankreich wurde von Almunia ermahnt, ebenso Portugal mit seinem Rekorddefizit von 6,2 Prozent. Italien profitiert als erstes Land vom gelockerten Pakt und erhält eine Schonfrist von zwei Jahren.
Die Lockerung des Pakts ist umstritten. Sollten sich Deutschland und Frankreich und nun auch Italien dauerhaft nicht an die selbst gesetzten Regeln halten, geht deren disziplinierende Wirkung verloren. Die CDU will sich deshalb dafür einsetzen, dass der „Stabi“ wieder in alter Strenge gehandhabt wird. Denn, so heißt es aus der Fraktion im Brustton der Überzeugung: unter einer neuen Regierung würde die Defizitgrenze natürlich eingehalten.