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Mehr als 500 Jahre Berliner Unwille

Im Sammelband „Rebellisches Berlin“ geht es um Widerstand und Aufstände, um geglückte und missglückte Revolutionen und Stadtgeschichte von unten

Die Widerstands­geschichte der Stadt beginnt nicht erst bei Kreuzberger Riots

Von Peter Nowak

Einen ganz großen historischen Bogen über mehrere Jahrhunderte zogen die sechs ReferentInnen, die am Sonntagnachmittag am Wagenplatz Lohmühle einen Einblick in das neue Buch „Rebellisches Berlin“ gaben. Darin wird auf mehr als 800 Seiten die Widerstandsgeschichte einer Stadt gezeichnet, die eben nicht bei Kreuzberger Riots beginnt, sondern bereits im 15. Jahrhundert. Denn im Jahr 1440 gab es eine längere Auseinandersetzung zwischen den BürgerInnen des damaligen Dorfes auf der Spreeinsel und den märkischen Landesherrn, die als „Berliner Unwille“ in die Geschichte eingegangen ist. Die Buchvorstellung endete mit der Erinnerung an Bernhard Heidbreder, der längere Zeit in der autonomen Bewegung Westberlins aktiv war und wegen eines missglückten Anschlagsversuches auf ein im Bau befindliches Abschiebegefängnis ins Exil nach Venezuela gehen musste. Dort ist er vor wenigen Tagen an Krebs gestorben.

Diese Daten zeigen die Spannbreite des Buches. „Es ist aus einer klar sozialrevolutionären Perspektive geschrieben. Wir haben Kämpfe aufgenommen, die einen emanzipatorischen Charakter hatten und klar gegen Herrschaft waren“, beschreibt eine der Herausgeberinnen die Kriterien, nach denen da vorgegangen wurde. Das zu beurteilen ist vor allem (aber nicht nur) bei länger zurückliegenden Ereignissen nicht einfach. Dabei hat der Kreis der HerausgeberInnen des Buches sich große Mühe gegeben, auch weniger bekannte Ereignisse aufzuschreiben: etwa die Arbeitsniederlegungen von Beschäftigten aus Vietnam und Mosambik, die in der DDR gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen streikten und sogar Erfolge erzielten. Ihre Löhne wurden erhöht, ihre Wohnbedingungen verbessert. Eine Herausgeberin sprach vom ersten erfolgreichen Streik in der DDR.

Wenig bekannt ist auch, dass anlässlich des Treffens von IWF und Weltbank im Jahr 1987 auch eine autonome Linke in der DDR aktiv wurde. Denn einige der Gäste des Elitetreffens stiegen in Ostberliner Hotels ab. Damals wurden TeilnehmerInnen der Proteste auch im Osten festgenommen. Die Ereignisse festigen die Kooperation zwischen unabhängigen Linken in Ost- und Westberlin. Dass die Zusammenarbeit nach der Maueröffnung trotzdem nicht immer einfach war, ist in dem Text dazu ebenfalls Thema.

Julia, eine Westberliner Mapuche aus Chile, berichtet bei der Buchvorstellung, dass ihre Arbeit von akademischen weißen Linken teilweise behindert wurde. Dabei ging es um die Frage, ob eine Veranstaltung über die Mauer in Jerusalem den Antisemitismus fördert oder ob es sich dabei um Unterstützung von Kämpfen im Nahen Osten handele. Darüber wird auch aktuell weiter heftig debattiert. Der Verlag kündigte bereits einen weiteren Band an: wenn die selbst organisierten Kämpfe in Berlin sich fortsetzen oder sogar verstärken.

Gruppe Panther & Co. (Hg.): „Rebellisches Berlin. Expeditionen in die untergründige Stadt“. 840 Seiten, 30 Euro. Nächste Lesung am Mittwoch, 16. Juni, 20 Uhr im Buchladen Schwarze Risse, Mehringhof

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