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Archiv-Artikel

DEUTSCHLAND HAT KEIN VERMÖGEN MEHR, ABER VIELE SCHULDEN Steuern statt Pleite

Es gehört zu den Alltagsweisheiten, dass der deutsche Staat irgendwie pleite ist. Aber jetzt ist er noch pleiter, falls sich das Wort überhaupt steigern ließe. Der Ausverkauf ist abgeschlossen. Ab 2007 ist die Bundesrepublik Deutschland ein Staat ohne jedes Vermögen, aber mit ganz vielen Schulden. Wer die nächste Bundestagswahl gewinnt, ist nicht zu beneiden.

Es gehört zum Rollenmodell für Politiker, dass sie sich wie der gute Hausvater gerieren sollen. Wenn das Geld nicht reicht, dann muss eben gespart werden! Viele Deutsche sind fest überzeugt, dass mit dem Staatsgeld geaast wird und sich Subventionen übers Land ergießen.

Doch tatsächlich betragen die direkten Finanzhilfen nur noch 6 Milliarden Euro. Bei den Ausgaben lässt sich kaum noch kürzen, denn sie gehen für unvermeidliche Posten drauf: Renten, Zinsen, Pensionen, Arbeitslosengeld. Wenn man überhaupt noch sparen will, dann sind sofort die Bildung und die Verkehrsnetze dran. Nicht wirklich schön.

Daraus folgt völlig schlicht: Der Staat muss seine Einnahmen verbessern. Die Steuerquote liegt nur noch bei 20,1 Prozent. Das ist kein Grund zum Stolz, sondern eine Katastrophe. Der Staat gilt nur noch als Monstrum, das nichts lieber tut, als seine Bürger auszusaugen. Tatsächlich ist er aber auch ein guter Auftraggeber: Es belebt die Wirtschaft, wenn mehr Schulen gebaut und mehr Lehrer eingestellt werden.

Noch sperren sich alle etablierten Parteien, zuzugeben, dass ihre „Große Steuerreform“ ein ganz großer Fehler war. Kein System ist so solidarisch und so gerecht wie die Einkommensteuer – und ausgerechnet dort wurden jährlich etwa 50 Milliarden Euro verschenkt. Stattdessen wird nun mit der Mehrwertsteuer experimentiert, die tendenziell die unteren Schichten stärker trifft. Die Union tut es ganz offen, doch ist auch der SPD nicht zu trauen. Zwar lehnt sie eine erhöhte Mehrwertsteuer ab – aber sie kann nicht sagen, woher das Geld sonst kommen soll, nun, da man kein Staatsvermögen mehr verramschen kann. ULRIKE HERRMANN