: Piraten fordern Internetminister
NETZWELT Die junge Piratenpartei stellt ein Regierungsprogramm vor, obwohl sie es nicht ins Parlament schaffen wird. Ein neues Ministerium soll für freie Infos im Netz sorgen
AUS BERLIN FELIX LEE
Wer glaubt, die Piraten sehen sich als reine Protestpartei, der irrt. Das Regierungsprogramm der Freibeuter klingt durchaus konkret. Mit nichts Geringerem als der Forderung nach einem Internetminister gehen sie in den Endspurt des Bundestagswahlkampfs. „Die Piratenpartei plant für den Erfolg“, sagte Nicole Hornung vom Bundesvorstand der Piratenpartei am Montag bei der Vorstellung ihres Wahlprogramms. Und da sei ein neues Ministerium für die Wissens- und Informationsgesellschaft ein wichtiger Bestandteil.
Knapp eine Woche vor der Bundestagswahl sehen sich die Piraten kurz vor ihrem politischen Durchbruch. Bei 3 Prozent sehen einige Umfrageinstitute die Piraten derzeit. Für die inzwischen rund 8.000 Piraten, die noch vor einem Jahr keine 1.000 Mitglieder zählten, wäre ein solches Ergebnis ein großer Erfolg, auch wenn es nicht für den Sprung in den Bundestag reicht. Für die Grünen und die FDP bedeutet das schmerzhafte Stimmenverluste.
Mit ihrem Slogan „Klarmachen zum Ändern“ scheint die Piratenpartei vor allem bei jungen WählerInnen zu punkten. Bei der U-18-Wahl vergangene Woche, bei der 126.000 Jugendliche ihre Stimme abgegeben hatten, votierten fast 9 Prozent für die Piratenpartei – sie lag damit vor der FDP und nur knapp hinter der Linkspartei. „Es gibt einen Überdruss an Rechts-links-Schemata“, glaubt Piratenpartei-Aktivist Christopher Lauer. „Unsere Orientierung auf Sachthemen macht uns so attraktiv.“
Bei der Vorstellung des Wahlprogramms bemängelte Lauer, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der Versorgung mit breitbandigem Internet derzeit immer noch erst an 22. Stelle liege. Auch was die Möglichkeiten der partizipativen Demokratie im Netz betrifft, hinke Deutschland hinterher. Mit einem neuen Internetministerium könne nicht nur der Rückstand Deutschlands aufgeholt werden, glaubt Lauer. Wichtige technologische Erscheinungen würden „in das Zentrum politischen Handelns gestellt“.
Konkret erhoffen sich die Piraten von einem Internetministerium, dass sozial Schwache, ältere Menschen und Geringqualifizierte nicht nur sozialverträglich einen Internetzugang erhalten, sondern dass ihnen auch beigebracht wird, mit den neuen Medien umzugehen. Eine Abteilung „Sicherheit und Krisenmanagement“ soll für mehr Sicherheit im Netz sorgen und vor allem die deutschen Behörden technisch auf den neuesten Stand bringen. Eine weitere Abteilung mit dem Aufgabenbereich Informationskultur soll gewährleisten, dass all die Infos im Netz auch künftig frei zur Verfügung gestellt werden. Und eine der wichtigsten Aufgaben des Ministeriums wird nach Ansicht der Piraten sein, dass die Entwicklung zur Informationsgesellschaft nicht allein privaten Interessen untergeordnet wird. Stattdessen soll ein staatliches Gremium dafür sorgen, dass von den technischen Errungenschaften alle etwas haben. Vorgestellt haben die Piraten auch ihr Konzept der partizipativen Demokratie, auch „Liquid Democracy“ genannt. Ihre Mandatsträger sollen dazu verpflichtet werden, in speziellen Internetforen zunächst die Einschätzungen und Meinungen aller interessierten Parteianhänger einzuholen, bevor sie im Parlament ihre Entscheidungen fällen. Mittelfristiges Ziel sei es, auch Leute in den politischen Entscheidungsprozess einzubeziehen, die nicht Mitglied der Piratenpartei sind.
So konkret ihre Vorschläge für eine Regierungsbeteiligung sind – auf die Frage, mit welcher Volkspartei sie sich am ehesten vorstellen können ihre Ziele umzusetzen, nannten sie keinen Favoriten. Für Parteivorstandsmitglied Hornung ist es ohnehin „untergeordnet“, mit welcher Partei ihre Forderungen umgesetzt würden. „Wichtig ist, dass sie überhaupt aufgegriffen werden.“ FELIX LEE