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Archiv-Artikel

Für dich und für mich

Guaco, eine der innovativsten Salsa-Gruppen aus Venezuela, spielten zum Auftakt der zweiten „Heimatklänge“-Woche und bewiesen einmal mehr: Bei dieser Veranstaltung dreht sich viel ums Ambiente, um schönes Wetter und ein buntes Publikum

VON DANIEL BAX

Nomen ist nicht immer Omen. Die venezolanische Band Guaco hat sich, warum auch immer, nach einem weißen Vogel aus der Mythologie ihres Landes benannt, der Unglück bringen soll. Den „Heimatklängen“ aber haben die Unglücksvögel kein Pech gebracht, im Gegenteil. Nicht nur, dass zum Auftakt der zweiten „Heimatklänge“-Woche am Mittwoch optimales Festivalwetter herrschte: ein heißer Sommertag, dessen Hitze noch auf den Treppenstufen des steinernen Kulturforums nachglühte.

Als sich während des Konzerts von Guaco auch noch die Sonne kitschverdächtig über den Platz senkte und vor der multimillionenschweren Kulisse von Philharmonie und Potsdamer-Platz-Bauten allmählich die Lichter über den Ständen mit brasilianischem Essen, deutschem Bier und südamerikanischem Kunsthandwerk angingen, da wurde für einen Postkartenmoment deutlich, was die Heimatklänge so besonders macht: So nahe kann man sich Miami, Puerto Rico oder Venezuela in Berlin eben nur selten fühlen.

Bei den „Heimatklängen“ ging es ja immer um mehr, böse Zungen sagen auch: um anderes als die Musik – um die Atmosphäre, das bunte Publikum oder, ob nun im Tiergartengrün oder auf dem Industriegelände am Ostbahnhof, das Ambiente. Schon bei ihrem Debüt vor mehr als 15 Jahren waren die „Heimatklänge“ ein Event avant la lettre. Erstaunlich nur, dass sie nach vielem Auf und Ab jetzt gerade noch einmal die Kurve gekriegt haben. Nach Pech im vergangenen Jahr mit schlechtem Wetter und durchwachsenem Programm stand das Festival vor dem Aus. Doch in diesem Jahr, auch dank Fifa-Fördergeldern, sorgen die „Heimatklänge“ für das angemessene Aufwärmtraining zur Fußball-WM im nächsten Jahr.

Wie gut, dass Südamerika im Fußball wie auch in der Weltmusik den Ton angibt. So konnten die „Heimatklänge“ unter dem Motto „Copa Americana“ mal wieder den Fokus auf den lateinamerikanischen Kontinent lenken. (Im kommenden Jahr ist dann der „Copa Africa“ dran – Asien und Europa werden großzügig übergangen.) Venezuela bildet zwar eher die Ausnahme im Reigen der großen Fußballnationen, doch zumindest Guaco spielen in der ersten Liga. Die Miami New Times hat sie einmal das „bestgehütete Geheimnis der Salsaszene“ genannt, denn in ihrer Heimat zählen Guaco mit über 30 Alben zu den Bestsellern. Doch erst vor drei Jahren sind Guaco zum ersten Mal in Europa aufgetreten, im Londoner Barbican Centre.

Nun sind sie bei den „Heimatklängen“. Was für ungeübte Ohren lediglich wie eine weitere Salsagruppe klingen mag, ist eines der innovativsten Ensembles im Latin-Kosmos. In den Sechzigerjahren gegründet, um die Pflege des traditionellen Gaita-Stils voranzutreiben, hat sich die Band mit der Zeit stilistisch wie personell enorm ausgeweitet und ist vom reinen Folkloreensemble zu einem der großen Salsaorchester der Welt aufgestiegen. Mit ihrer personalstarken Percussion- und Bläsersektion nimmt man Anleihen bei kubanischer Salsa und Timba, bedient sich aber auch bei anderen Beats rund um die Karibik, während Gitarrist Pedro Navarro hörbar auch mit Jazz- bis Schweinerock liebäugelt. Die traditionelle Musik Venezuelas ist nur noch ein Farbtupfer unter vielen auf ihrer Palette.

Auf dem Kulturforum präsentierten sich Guaco als eine bis zu 19-köpfige Mannschaft, wobei nicht immer klar zu erkennen war, ob da nicht auch ein paar Roadies mit auf der Bühne lungerten. Von den drei Guaco-Sängern sieht jedoch nur einer so aus, als sei er schon von Anfang an dabei gewesen: Gustavo Aguado, die ergraute Eminenz der Band. Mit ihren vorwiegend jugendlichen Vorturnern und ihrem Mix aus Salsa, Funk und Rock präsentieren sich Guaco als Latin-Band für die ganze Familie. Die meisten ihrer Stücke, die „Ahora Si“ („Jetzt ist der richtige Moment“) oder „Por Ti Y Por Mi“ („Für dich und für mich“) heißen, handeln schlicht vom Tanzen oder sind Liebeslieder. Doch die Leichtigkeit, mit der sie ihre komplexen Arrangements auf die Bühne bringen, wird mit guten Grund immer wieder als „tight“ gepriesen, und die Eleganz ihrer präzisen Bläsersätze weckt Erinnerungen an Funkgruppen wie Earth, Wind & Fire.

Bei ihrem ersten Auftrittt in Berlin wurden Guaco euphorisch venezolanische Nationalfahnen entgegengestreckt, dazu in der ersten Reihe auch ein paar Leuchtstäbe geschwenkt. Weiter hinten dagegen bot sich der von den „Heimatklängen“ gewohnte Anblick: Da wiegte ein Paar sein Baby in den Schlaf. Andere nutzten die Gelegenheit, ihre Tanzschulenschritte zu erproben, und wieder andere machten es sich mit einem Caipirinha auf einem der viel zu wenigen Liegestühle bequem, die wie immer allesamt belegt waren oder freigehalten wurden: Man sollte definitiv mehr davon anschaffen.

Noch einmal heute, morgen und am Sonntag um 21.30 Uhr, Kulturforum am Potsdamer Platz