Zersplittertes Idyll

Die Schau „Jerusalem Through a Private Lens“ im Kunsthaus eint und trennt fünf deutsche und fünf israelische Fotografen

von Petra Schellen

Vielleicht ist es das Touristensyndrom, vielleicht auch das, was die westlichen Industrienationen als „künstlerische Weiterentwicklung“ oder gereifte Entpolitisierung bezeichnen. Möglicherweise aber auch schlicht die Scheu vor dem Politischen, das man nur halb kennt oder nicht benennen zu dürfen glaubt: Deutliche Unterschiede bestehen jedenfalls zwischen den 2004 und 2005 entstandenen Jerusalem-Fotos, die fünf deutsche und fünf israelische KünstlerInnen auf Intiative der Jerusalem Foundation schufen und die derzeit unter dem Titel „Jerusalem – Through a Private Lens“ im Kunsthaus zu sehen sind.

Vom gleißenden Licht geblendet und leicht trashig kommen die Bilder der deutschen FotografInnen daher: Im Zoo hat Bianca Hobusch Elefantenrüssel, anderswo bizarr auf die Straße gesprühte Obstreste fotografiert. Auch ein gespenstisch auf dem Dachgarten platzierter Stuhl-Rest neben riesigem Parabolspiegel ist da zu finden; leicht morbide wirken die umgestürzten Stühle am Bildrand. Auch heilige Orte hat die Fotografin ins Visier genommen, darunter die Tür in der Außenmauer des armenischen Viertels: „Map of Armenian Genocide“ sind die Plakate auf leicht rostigem Tor betitelt.

Doch abgesehen davon findet sich auf den Bildern der deutschen Gäste nichts von der Gewalt und Angst, die israelischen Alltag prägen – und auf die die israelischen Künstler umso deutlicher verweisen: „Grab“ hat Amon Yariv ein massives, düsteres Querformat genannt, das eine mühsam mit Beton verfüllte Mauer zeigt: Mauer und Teilung als ewig schwärende Wunde. Obendrauf hat der Künstler fluoreszierend bunte, steinchenartige Elemente gelegt – Reminiszenz an die Tradition, Steinchen auf jüdische Grabstätten zu legen, so oft man sie besucht. Und auch die bewusste Profanisierung durch das neonbunte Äußere dieser Steinchen bannt das Entsetzen nicht.

Ohad Matalon dagegen hat gelbe Taxis in die Ödnis gestellt; arabisch gekleidete Frauen und Männer sind ausgestiegen und streben einem imaginären Ort zu; am Bildrand wacht Stacheldraht. Eine unfreiwillige Grenzsituation – welcher Art auch immer – ist hier angedeutet. Mitten ins Idyll hinein hat der Künstler auf einem anderen Foto Zerstörung gesetzt. Als habe man Autos auseinander montiert oder gesprengt, wirkt das Materialdepot aus verbogenen Blechen, Kabeln und Schaumstoff. Rechts und links daneben ein Baum als „Friedhofswächter“ – Zerstörung lauert mitten im Idyll.

Und wenn auch die Bilder des deutschen Künstlers Hayo Heye zunächst recht adrett-artifiziell wirken mit ihren fast verklärenden Lichteffekten, hat er doch ein politisches Motiv namens „Mauer“ mit in die Reihe gesetzt. Polarblaue Unschärfe breitet sich hier aus, die sich rechts und links zu Maueransätzen vedichtet, die an einem neonbeleuchteten, arabisch beschrifteteten Schild enden. Dahinter ist eine Moschee: Auch dieses vermeintliche, fotografisch doch so effektiv suggerierte Idyll der Künstlichkeit trägt nicht. Schmummrige Beleuchtung verhehlt es nicht, nicht bonbonbunte Farben: Sie wird bleiben, die stetige Gewalt, solange Israelis und Palästinenser nicht befriedet sind.

Auch die Eindringlichkeit solcher Bilder wird bleiben und immer jene von Thomas Füsser übertreffen, der seine wandfüllende Collagen aus Menschen- und Objektporträts „The Search of Meaning and the Persuit of Happiness“ genannt hat. Sehr subtil weist er in seinen Arbeiten auf politische Probleme hin. Und bleibt damit doch meilenweit entfernt von der Eindringlichkeit, welche die Aufnahmen der israelischen KollegInnen transportieren.

„Jerusalem Through a Private Lens“: Di–So 11–18 Uhr; Kunsthaus, Klosterwall 15; bis 7. 8.