Mickael Rasmussens letzte Chance

Der Tour-Tross erreicht die Pyrenäen und fährt über den Berg, an dem Fabio Casartelli vor zehn Jahren zu Tode kam

BERLIN taz ■ Die Streckenplaner der Tour de France haben es in diesem Jahr nicht besonders gut mit all jenen gemeint, die immer ein wenig Ruhe brauchen, um sich von den Strapazen der Bergetappen zu erholen. Nach der gestrigen Flachetappe von Miramas nach Montpellier über 173 km geht es schon wieder ins Gebirge. Am Wochenende stehen zwei schwere Bergankünfte in den Pyrenäen an.

Sollte Lance Armstrong auch nach der Schlussrampe vom Sonntag, wo ein 10 km langer Schlussanstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von 8,3 % zu bewältigen ist, immer noch in Führung liegen, ist die Tour wohl entschieden. Mickael Rasmussen, der in der Gesamtwertung nur 38 Sekunden Rückstand auf den Mann in Gelb hat, muss versuchen, am Berg Zeit gutzumachen. Danach gibt es wohl nur noch eine Möglichkeit, Sekunden aufzuholen: beim Einzelzeitfahren am vorletzten Tourtag. Im Kampf gegen die Uhr kann der Däne allerdings mit Armstrong nicht mithalten.

Doch nicht nur der Kampf um das gelbe Trikot wird die Etappen vom Wochenende prägen. Am Samstag fährt das Peloton über den Portet d’Aspet, jenen Berg, an dem vor zehn Jahren der Italiener Fabio Casartelli tödlich zu Sturz kam. Die Erinnerung an den Todessturz von 1995 wird wieder aufleben. Beendet hingegen ist die Diskussion um die Einführung einer Helmpflicht. Die sollte schon vor zehn Jahren kommen. Die Profis jedoch stellten sich quer, wollten ihre edlen Schädel nicht unter schlecht durchlüftete Styroporkappen stecken. Erst nachdem Andrej Kiwilew bei der Fernfahrt Paris–Nizza 2003 tödlich zu Sturz kam, konnte die Helmpflicht etabliert werden. Seitdem rasen die Profis mit bunten Hauben die Berge hinunter. Schlechte Straßenbeläge, seifigen Asphalt und schlecht einsehbare Kurven müssen sie nach wie vor hinnehmen.

Sie rasen also weiter, die Fahrer, und vollbringen dabei schier Unglaubliches. Die Aufholjagd von Santiago Botero hinunter vom Galibier, bei der er innerhalb von nur wenigen Kilometern einen Rückstand von 40 Sekunden auf Alexander Winokurow wettgemacht hat, wird so schnell nicht in Vergessenheit geraten. Winokurow selbst machte dagegen einen eher unsicheren Eindruck bei der Abfahrt. Der Kasache von T-Mobile war bis vor kurzem noch als Draufgänger bekannt. Der Tod seines Landsmannes und Freundes Kiwilew könnte seine Spuren hinterlassen haben. ARUE