MACHTKAMPF ZWISCHEN HAMAS UND ABBAS BLOCKIERT FRIEDENSPROZESS : Argumente für israelische Militärs
Der israelische Abzug aus dem Gaza-Streifen droht genau das Gegenteil dessen zu erreichen, worauf er abzielt. Anstatt die moderate Führung in Ramallah zu stärken, könnte das Projekt als Sieg der islamischen Extremisten ausgelegt werden. Sollte es der Hamas in den kommenden Wochen gelingen, die Menschen in den jüdischen Siedlungen und jenseits der Grenzanlagen mit Raketen und Mörsergranaten zu terrorisieren, wäre das ein Argument für den Standpunkt, der gewaltsame Widerstand sei ein effektiver Weg gegen die Besatzung. Die Konsequenz wäre eine Fortsetzung des Kampfes.
Bereits zu Beginn der Al-Aksa-Intifada rechtfertigten palästinensische Widerstandskämpfer die erneute Gewalt mit dem einseitigen israelischen Abzug aus dem Libanon wenige Monate zuvor. Man habe von der Hisbollah gelernt, wie man Besatzungstruppen in die Flucht schlägt. Die jüngste Eskalation im Gaza-Streifen ist Wasser auf die Mühlen derjenigen israelischen Militärs, die angesichts des libanesischen Beispiels dazu raten, den Extremisten vorbeugend eine Lektion zu erteilen.
Militärs wie politische Beobachter in Jerusalem sehen derzeit zwei mögliche Perspektiven für die Zeit nach dem Abzug: Entweder wird der Friedensprozess wieder aufgenommen, oder es gibt eine neue Intifada. In diesen Tagen kann man sich ein Bild davon machen, was passiert, wenn weiter Raketen auf Israel abgeschossen werden. Die israelischen Truppen werden erneut in die palästinensischen Flüchtlingslager einmarschieren und die Luftwaffe überall dort bombardieren, wo die Extremisten vermutet werden. Die jüdischen Siedler werden dann zwar woanders wohnen, die Soldaten dagegen können jederzeit wiederkommen.
Die Raketen der Hamas richten sich nicht nur gegen Israel, sondern gegen die eigene Führung, mit der sich die Islamisten in ihrem bisher wichtigsten Machtkampf befinden. Bekommt Abbas die Zügel wieder in die Hand, bedeutet der Abzug für den Friedensprozess und die Vision der Zweistaatenlösung eine neue Chance. Seine Niederlage hingegen würde den Nahen Osten in neue Gewalt zurückwerfen. SUSANNE KNAUL