DAUMENKINO

„Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“

Dieser Film kann neidisch machen. „Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“ ist ein „New York Thriller“, und der Neid gilt dem Phänomen, dass eine Stadt so viel Charakter hat, um einem Filmgenre ihren Stempel aufzudrücken. Tony Scotts Remake des gleichnamigen Thrillers aus dem Jahr 1974 ist schon deshalb interessant, weil es darum geht, wie die Stadt heute „tickt“. New York ist der eigentliche Hauptdarsteller dieses Films, obwohl sich die Handlung praktisch nur in der Führerkabine eines U-Bahn-Waggons und im fensterlosen Büro des Zugmanagers abspielt.

„Die Stadt“ wird hier repräsentiert durch ein ungleiches Ensemble von Männercharakteren. Sie bilden als raffiniert gesponnenes Netz die aktuellen Hierarchie- und Wertestrukturen ab. Auf der untersten Stufe spielt John Travolta „Ryder“, den Kopf der Entführerbande, die einen U-Bahn-Waggon festhalten und binnen einer Stunde 10 Millionen Dollar kassieren wollen. Das psychologische Geschick, mit dem er seine Gesprächspartner bei den Verhandlungen zu traktieren weiß, lässt darauf schließen, dieser Ryder ist ein „Gefallener“. Und zwar aus jener Ecke, von der aus New York die Welt erschüttern kann, der Wall Street.

Zu seinem „Liebling“ unter den Verhandlungspartnern erklärt Ryder den von Denzel Washington gespielten „Garber“, seinerseits ein „einfacher Angestellter“. Auch Garber, so will es der filmische Zufall, ist ein „Gefallener“: einer, der die Bildungschancen genutzt hat und in die Verwaltung aufstieg, von dort aber wegen eines Korruptionsverdachts wieder in die unteren Ränge versetzt wurde. Trotzdem oder gerade deshalb ist er der positive Held, die Figur, mit der sich die Stadt „bei sich“ fühlt, denn Garber wird zeigen, dass er die wesentlichen urbanen Tugenden besitzt: Zivilcourage natürlich, aber auch die nötige Abgebrühtheit.

Um das Duell dieser beiden gruppieren sich weitere Figuren, unter denen eine besonders herausragt: James Gandolfini als der Bürgermeister. Allein seine Auftritte machen diesen Film sehenswert. Als spannende Gratwanderung zwischen Zynismus und Engagement porträtiert Gandolfini den modernen Politikertypus, der es satt hat, weniger nach Sachlage als nach Medienwirkung zu regieren. „Dies ist ein Leadership-Moment“, flüstert ihm ein Berater zu; kann man sich da ein lapidares „Kein Kommentar“ leisten?

BARBARA SCHWEIZERHOF

■ „Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“. Regie: Tony Scott. Mit Denzel Washington, John Travolta u. a. USA/Großbritannien 2009, 106 Min.