piwik no script img

Ausstellung von morgen

Studierende der Visuellen Kommunikation an der UdK präsentieren unter dem Titel „What Could Possibly Go Wrong?“ eine Sammlung aus der Zukunft. Sie zeigt durch die Klimawandelfolgen beschädigtes Grafikdesign

Robert Radziejewski, „Unter Druck“, mit einer Metallpresse verformter Schönfelder Foto: Ferdinand Kirsch

Von Jan Bykowski

Eine Ausstellung der Universität der Künste blickt auf unseren Umgang mit der Erdatmosphäre. Teil­neh­me­r*in­nen eines Seminars zur visuellen Kommunikation haben künstlerische Positionen erarbeitet, die die laufende Klimakatastrophe nicht nur durch reine Beschreibung bewusst machen. Sie suchen nach Wegen, die über eine rationale Informationsaufnahme hinaus auf die Menschen wirken. In der designtransfer-Vitrine am Einsteinufer stellen neun Arbeiten die Frage: What Could Possibly Go Wrong?

Ähnlich dachte mancher schon im kleineren Rahmen, als die zu erwartenden Folgen des eigenen Handelns noch von Bequemlichkeit oder Euphorie verdeckt waren. „Was soll schon schief gehen?“, wenn man versucht, den Hund in der Mikrowelle zu trocknen oder einen Kopfsprung vom Hausdach ins Planschbecken wagt. Hinterher ist auch dem Gefühl klar, worauf die Vernunft schon vorher verwiesen hätte – wäre sie nur gehört worden.

Für den Klimawandel gilt Gleiches. Es ist klar, was passiert, aber man ist zu bequem, auf die Vernunft zu hören. Die in einem von Martin Conrads geleiteten Seminar entstandenen Arbeiten der kleinen Schau machen die Folgen dieses Prinzips augenfällig. Die üblichen Darstellungen dieses Themas in Gestalt von Grafiken, Diagrammen oder Katastrophenbildern werden mit neuen Bildern zu einer eindrucksvollen Kollapsologie, einem Untergangsszenario, ergänzt.

„What Could Possibly Go Wrong?“ nutzt die Mittel der visuellen Kommunikation und wendet dabei einen Trick an. Durch einen erzählerischen Sprung in die Zukunft öffnet sie schon jetzt, da noch Zeit ist, einen Blick auf die Folgen unseres offensichtlich unvorsichtigen Umgangs mit Klima und Umwelt. Wir sehen aus einer fernen Zukunft auf unsere nahe Zukunft zurück.

Anschauungsmaterial für diesen Blick bieten dabei Gegenstände, die zu erwartende Spuren unseres heutigen Handelns tragen. Martin Conrads stellt allerdings klar: „Die Ausstellung versteht sich nicht als Sammlung von Arbeiten, die der Kategorie des Spekulativen Designs zugeschlagen werden könnten.“ Manches ist dabei gar nicht weit von unserer Gegenwart entfernt. Im Kiotoprotokoll, das Hannah Kluge in ihrer Arbeit „Fungi x CO2“ anspricht, wurden bereits 1997 Ziele zur Verringerung von Treibhausgasen festgelegt. Die CO2-Belastung der Atmosphäre ist heute jedoch größer denn je. Das Protokoll scheint von der Entwicklung überrollt worden zu sein. In Kluges Arbeit überwuchern besondere Pilze, die CO2 aufnehmen, speichern und dadurch wachsen, die Beschlusstexte.

Die Studierenden sehen ihr Fach als Mitverursacher der Katastrophe

Die Studierenden sehen ihr Fach Visuelle Kommunikation dabei selbstkritisch als Mitverursacher der Katastrophe. Ansprechende Markengestaltung hilft beim massenhaften Verkauf etwa von Getränkeverpackungen. Nicht nur die Meere sind bereits voll von solchen Hinterlassenschaften, die unter großem CO2-Aufkommen hergestellt wurden. Antonia Gericke hat sie zu einer „Papierplastik“ zusammengefasst. In diesem Plastikplakat rekonstruiert sie den Müll, der an einem durchschnittlichen Abend zusammenkommt, darin erkennbare Markenlogos.

Auch Tech-Unternehmen nutzen die Möglichkeiten visueller Kommunikation. Durch geschicktes Markendesign werden sie nicht mehr als klimaschädlich, sondern als Erscheinungsformen einer aufgeklärten Haltung und eines modernen Lebensgefühls wahrgenommen. Sara Bozic, Ha My Le Thi und Nora Veismann zeigen diese Wirkung ihres Faches in selbstreflexiver Weise in ihrer Bildserie „Objects in Mirror are Closer than they Appear“. Die Logos von Apple, Tesla und anderen Technologiefirmen erscheinen hier in gebrochenen Spiegeln.

Auch die rein digitale Wirtschaft, die auf Gütertransport und die Produktion von Waren verzichten kann, ist keine „saubere“ Wirtschaft. Der Energieverbrauch von Servern für Onlinedienste oder, auch hier ist das Fach selbstkritisch, für Rendering im digitalen Grafikdesign hat einen erheblichen und wachsenden Anteil am CO2-Ausstoß. Leider können die ausdrücklich hierauf bezogenen Arbeiten, die ihrerseits mit Monitoren und digitalen Mitteln arbeiten, aus Sicherheitsgründen nicht in der Vitrine vor der UdK gezeigt werden. Der Anstoß zum kritischen und besonders auch selbstkritischen Umdenken ist indessen auch mit den analog gezeigten Positionen gegeben. Mit diesem Zukunftsbezug ist die Schau auch Teil des Programms „Vorspiel transmediale“.

Bis 13. April, Außenvitrine, Einsteinufer 43

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen