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Archiv-Artikel

Begehrter Schrott

ILLEGALES RECYLING Bahnkabel, Baustellenbleche, Bronzestatuen: Metalldiebe nehmen alles mit, was sie kriegen. Anreiz sind steigende Rohstoffpreise. Berliner Metallhändler versuchen, sich vor Hehlerware zu schützen

Markante Ware bekommen Kriminelle in Westeuropa nicht mehr los

VON MIRIAM HAUFT

Wo ist die Bronzestatue von Stefan Horota aus dem Volkspark Prenzlauer Berg? Vor rund zwei Wochen wurde sie abgesägt, seitdem ist sie verschollen. Auch die Polizei rätselt, wo das Kunstwerk geblieben ist. Sie geht davon aus, dass die Diebe keine Kunstliebhaber waren. Vermutlich ging es ihnen um das Metall. Laut Polizei ist die Zahl der Metalldiebstähle auf dem zweithöchsten Stand seit zehn Jahren.

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass in der Stadt ein Metalldiebstahl gemeldet wird. Größeren Schaden als nur den ästhetischen richten die Diebe an, wenn sie statt Kunstwerken zum Beispiel Bahnleitungen entwenden. Dann steht schon mal der S-Bahn-Verkehr für einige Stunden still, oder wie am Sonntag, gleich der ganze ICE-Fernverkehr auf der Strecke Berlin – Hannover.

Ein Großteil der Diebstähle betrifft Baustellen, hier wird besonders oft Metall und Schrott gestohlen, am Wochenende etwa am unfertigen Flughafen BER. Die Polizei verzeichnet im Jahr 2011 eine Zunahme von über 42 Prozent im Vergleich zu 2010. Was einmal weg ist, wird kaum wiedergefunden: Gerade mal 8 Prozent der Diebstähle konnten aufgeklärt werden.

Grund für den grassierenden Metallklau ist der hohe Weltmarktpreis für Buntmetalle. Er hält sich seit einigen Jahren auf Rekordniveau. Galten vor knapp zehn Jahren 2.000 Dollar als Obergrenze für die Tonne Kupfer, schwankt der Preis seit einigen Jahren zwischen 5.000 und 10.000 Dollar pro Tonne. „Er steigt zum einen ganz natürlich, da Rohstoffe knapper werden, und die Nachfrage der Industrie steigt“, erklärt Ralf Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Metallhändler. Allerdings sieht er den eigentlichen Grund für die hohen Preise in der Spekulation mit Rohstoffen auf den Finanzmärkten. Er schätzt, dass nur noch 5 Prozent der Geschäfte, die an der Londoner Metallbörse getätigt werden, echter physische Handel seien. „95 Prozent sind Hegdegeschäfte und reine Zahlenschieberei.“ Das habe den Preis auf ein unnatürlich hohes Niveau getrieben.

Da die Polizei nur wenige Diebe erwischt, suchen die Betroffenen selbst nach Lösungen. Der Verband Deutscher Metallhändler nutzt seit einigen Jahren ein internes Warnsystem, bei dem größere Diebstähle an alle Mitglieder des Verbands gemeldet werden. Die Händler informieren dann die Polizei, wenn ihnen die geklauten Stücke angeboten werden. „Das funktioniert erstaunlich gut“, sagt Ralf Schmitz. Er lobt die Zusammenarbeit mit dem polnischen Verband, der ähnlich streng kontrolliere wie die deutschen Metallhändler. „Markante Ware wie neue Kupferkabel oder Statuen bekommen die Kriminellen in Westeuropa nicht mehr los“, sagt Schmitz. Er vermutet, dass die gestohlenen Metalle in weiter östlich liegende Länder geschmuggelt oder nach Asien verschifft werden.

Berliner Schrotthändler teilen diesen Verdacht. Was in der Stadt geklaut würde, lande nicht bei den offiziellen Metallhändlern, so die einhellige Aussage. Die Angst vor Kontrollen sei zu groß. Ein Schrotthändler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, räumt aber ein, dass er oft unsicher sei, wenn ihm Ware angeboten wird. „Hat der Kunde die drei nagelneuen Wasserhähne wirklich beim Opa im Keller gefunden, wie er sagt, oder auf einer Baustelle abgeschraubt?“, fragt er sich. Wenn er sich unsicher sei, lehne er den Ankauf ab.