: Carlsen umerzogen
Verlag streicht China-Bezug aus Kinderbuch zu Corona
Als der Hamburger Carlsen-Verlag seinen Lesemaus-Band 185 herausbrachte, wird er nicht damit gerechnet haben, dass er ihm derartig viel Ärger einbringen würde. „Ein Corona Regenbogen für Anna und Moritz – Mit Tipps für Kinder rund um Covid-19“ hat für erbitterte Kommentare auf Twitter und in der chinesischen Global Times gesorgt. Warum? Weil der Grundschüler Moritz darin sagt: „Das Virus kommt aus China und hat sich von dort aus auf der ganzen Welt ausgebreitet.“
Nun hat Carlsen das Buch zurückgezogen und bei Leser:innen um „Entschuldigung gebeten für den Fall, dass sie sich durch die Formulierung in ihren Gefühlen verletzt fühlen sollten“, so schreibt die Pressesprecherin des Verlags, Katrin Hogrebe. Heute würde man diese Formulierung, „deren Bedeutung sich als weitaus offener erwiesen hat, als wir es beabsichtigt hatten“, nicht mehr verwenden. In der Neuauflage wird der Satz gestrichen. So weit, so unklar, möchte man sagen.
Der Verlag spricht lediglich von „Zuschriften“, die ihn erreicht haben. In der Global Times ist dagegen von „Empörung“ der chinesischen Community in Deutschland, drohenden Klagen sowie von einem „Einspruch“ des Generalkonsulats beim Verlag die Rede. Darauf gibt es auf Nachfrage jedoch weder vom Verlag noch vom Generalkonsulat Auskunft.
Er finde die Frage nicht relevant, sagt Xueheng Chen, der amtierende Leiter der Politikabteilung des Generalkonsulats. Wichtig sei es, „ob es von allen Beteiligten ein Bekenntnis zur Korrektur des Fehlers gibt“. Es hätten sich viele chinesische Mütter, deren Kinder deutsche Kitas besuchten, mit der Sorge gemeldet, dass das Buch zu rassistischen Anfeindungen führte.
Was ist so interessant am Streichen eines Satzes aus Lesemaus-Band 185, dass bundesweit darüber berichtet wird? Man könnte schlicht argumentieren, dass der Ursprung des Virus wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt ist. Offenkundig ist, dass China sich große Mühe gibt, das zu betonen, oder sogar die These aufstellt, der Ursprung sei in anderen Ländern zu finden. Aber wie sah der Versuch, den Diskurs zu beeinflussen, konkret in Hamburg aus? Dass weder das Generalkonsulat noch der Verlag bereit sind, die Art der Kommunikation offenzulegen, ist problematisch und öffnet die Tür weit für Spekulationen.
Die andere interessante Frage ist die inhaltliche, die auch in den sozialen Medien diskutiert wurde. Was ist das Kriterium: die Korrektheit einer Aussage (auf Twitter akzeptieren auch Kritiker:Innen des Buches China als Ausgangsort der Epidemie) oder deren potenzieller Nutzung zur Ausgrenzung anderer? Und: Welche Erfahrungen machen Übersee-Chines:innen derzeit in Deutschland? So lange wesentliche Teilnehmer, nämlich Verlag und chinesische Diplomatie, nicht transparent vorgehen, bleiben für diese Fragen wenig Aufmerksamkeit. Friederike Gräff
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