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dvdeskWer ist hier die Maus?

Ein Katz-und-Maus-Spiel. Der Mann, Michael (Vinicio Marchioni), scheint die Katze, die Frau, Anna (Sabine Timoteo), scheint die Maus zu sein. Er steht mit seinem weißen Van dem Haus gegenüber, in dem sie alleine lebt. Es ist ein modernistisches Haus, sie kann es sich von ihrem Gehalt als Friseurin ganz sicher nicht leisten. Der Mann hat kein Haus, er lebt mehr oder weniger in dem weißen Van, mit dem er unterwegs ist. Hinten drin ist ein Bett, sogar eine Dusche. Er beobachtet die Frau, er verhält sich wie ein Stalker. So einfach ist das aber nicht. Denn dann ergreift Anna die Initiative, steigt zu ihm ins Auto, schläft auf dem Beifahrersitz ein. Vielleicht ist auch die Frau die Katze, und der Mann ist die Maus.

Der Film selbst treibt ein Katz-und-Maus-Spiel, mit der Zuschauerin. Er rückt mit Informationen, auch darüber, was die Frau und den Mann verbindet, nur zögernd heraus. Die Brocken, die der Film dem Zuschauer hinwirft, fügen sich nur nach und nach in einen Zusammenhang ein. Oder stellen ihn her. Bevor sie das tun, wirkt das Tun des Manns und der Frau rätselhaft: ihr Schrei hinein in den Lärm der vorbeireisenden Bahn, sein teilnahmsloses Sitzen in anonymen Cafés. Der Staub auf den Dingen in ihrem Haus, in das der Mann, ohne etwas zu stehlen, eindringt.

Man sieht, wie der Mann sich Schnurrbärte anklebt, wie er in Geschäften Tonaufnahmen von Verkaufsgesprächen macht. Man sieht, wie er im Hotel eine andere Frau trifft, die seine Chefin ist, aber sie haben auch Sex miteinander. Der Mann ist als Testkunde unterwegs, der Angestellte mit Tricks des Betrugs überführt. Etwas ist geschehen, etwas hat ihn, Michael, traumatisiert. Auch im Leben der Frau, Anna, ist etwas geschehen, etwas hat sie traumatisiert. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden ist auch ein Trauma-Tango, vom Regisseur in seinem Debütfilm als kühles Rätselbild inszeniert.

Die Schweiz kann sehr kalt sein, vom Klischee ihrer selbst bleibt sie in „Cronofobia“ ­Welten entfernt: ein ortloser Ort, die Ungemütlichkeit selbst. Er fühlt sich am wohlsten in den Autobahnrestaurants. Nicht einmal die Sprache ist ein Zuhause, er spricht Italienisch, Deutsch, Schwyzerdütsch, hört beim Fahren ein Krimi-Hörbuch in englischer Sprache, später ein Gedicht von Bukowski über das Zuhausesein in anonymen Cafés in den Vereinigten Staaten.

Der Titel des Films verweist auf eine Angst vor dem Verstreichen der Zeit, es muss eine Lebensangst sein. Die beiden, Anna, Michael, haben kein Zuhause, ihr Gefühl für die Zeit ist aus den Fugen, für die Zuschauerin ist es das auch. Die beiden, Michael und Anna, Anna und Michael, kommen, wieder und wieder, zusammen, aber zueinander finden sie dabei sehr lange nicht.

Aber es ist nicht einmal völlig klar, ob, was wir sehen, auch wirklich eins nach dem andern geschieht. Gibt es einen roten Faden, und wenn ja: Ist er zerschnitten? Die Spannung, die diese Erzählweise erzeugt, ist nicht im engeren Sinn narrativ, sondern zielt eher auf Fragen wie diese: Bleibt das alles bis zuletzt ein Vexierbild oder stellt sich am Ende eine Form von Geschlossenheit wieder her? Wird es einen geteilten Ort, eine geteilte Zeit geben, von denen aus etwas Neues anfangen kann?

„Cronofobia“ erinnert an die von kühlen Strömungen unterspülten Geschichten, die Christian Petzold erzählt, in der Erzählstruktur liegt dessen „Wolfsburg“ besonders nah. Bei Petzold ist aber vieles konkret, in Francesco Rizzis Debütfilm bleibt viel, letztlich zu viel abstrakt. Sabine Timoteo und Vinicio Marchioni haben sehr viel psychodramatische Verankerungsarbeit zu leisten. Sie sind großartig, aber es ist anstrengende Arbeit im gelegentlich luftleeren Raum. Ekkehard Knörer

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