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Serielles Sanieren

Ein energetisches Sanierungskonzept aus den Niederlanden wurde im niedersächsischen Hameln getestet. So sollen künftig Tausende Wohngebäude nachhaltig saniert werden

Lieferung der seriell vorgefertigten Fassadenteile: Innerhalb von zehn Tagen waren sie in Hameln montiert Foto: Ecoworks GmbH

Von Joachim Göres

Der Name klingt nach einer Idylle, aber mit seinen in die Jahre gekommenen Mehrfamilienhäusern ist das Hamelner Kuckuck-Viertel bislang keine beliebte Wohngegend. Dennoch blickt derzeit die Baufachwelt darauf, denn drei Gebäude heben sich seit Kurzem von den übrigen Wohnblöcken ab: Sie wurden nach dem aus den Niederlanden stammenden ­Energiesprong-Konzept energetisch saniert. Mit diesem Konzept, das hier erstmals in Deutschland angewandt wurde, sollen bald deutschlandweit Bauten klimafreundlich und für Mieter möglichst kostenneutral modernisiert werden.

Dabei ist weniger das Sanierungsergebnis besonders, sondern der Sanierungsprozess: Basis des Energiesprong-Konzepts ist die serielle Vorfertigung von Fassadenteilen. Sie soll Zeit sparen – und damit die Kosten in Grenzen halten.

Sollte sich das Konzept durchsetzen, würde damit tatsächlich ein großer Sprung gelingen: Am geförderten Modellprojekt beteiligen sich 22 deutsche Wohnungsunternehmen. Sie wollen Mehrfamilienhäuser mit 17.000 Wohnungen sanieren und dafür von den Erfahrungen des Hamelner Prototyps profitieren. Darunter sind auch Baugenossenschaften, etwa in Göttingen, Hannover und Neumünster.

Ein Energiesprung ist dringend notwendig: Rund ein Drittel der klimaschädlichen CO²-Emissionen entstehen durch den Energieverbrauch beim Wohnen. Damit die Gebäude weniger Energie benötigen, müsste die derzeitige jährliche Sanierungsquote in Deutschland verdoppelt werden – nur so können laut Experten die Klimaziele erreicht und bis 2050 rund 15 Millionen Häuser saniert werden. Wegen fehlender Fachkräfte, hoher Investitionen und der Angst der Bewohner vor einem deutlichen Anstieg der Miete nach der Sanierung geht es damit schleppend voran.

Die seriell vorgefertigten Hamelner Fassadenteile mit Lärchenholz-Verschalung – sieben Meter lang, drei Meter hoch und 36 Zentimeter dick – beinhalten neben der Dämmung aus Recycling-Glaswolle auch die Fenster sowie Lüftungselemente mit Wärmerückgewinnung. Die Vorarbeiten und Fertigung dauerten zehn Wochen, die Montage in Hameln nur zehn Tage. Eine kurze Dauer ist wichtig, damit bei künftigen Projekten Mieter nicht ausziehen müssen. „Eine Sanierung ohne Umsetzung der Mieter ist möglich, dass zeigen unsere hier gemachten Erfahrungen“, sagt Ronald Meyer, Bauleiter bei der Berliner Firma Ecoworks. Das Unternehmen hat die Arbeiten geplant und koordiniert.

Statt roter Ziegeldächer liegen auf den sanierten Gebäuden nun Blechdächer mit Photovoltaik-Anlage. Mithilfe neuer Wärmepumpen, Lüftung und Dämmung sollen die instandgesetzten Gebäude künftig mehr Energie erzeugen als die Bewohner verbrauchen. Und optisch unterscheiden sich die frisch sanierten zweigeschossigen Bauten durch die graue Lärchenholz-Verschalung deutlich von den beigen Fassaden in ihrer Umgebung.

„Eine Sanierung ohne Umsetzung der Mieter ist möglich“

Ronald Meyer, Ecoworks

In den Niederlanden wurden bereits rund 5.000 Wohnungen nach dem Konzept saniert. Allerdings ist noch offen, ob diese Idee auch in Deutschland in dieser Größenordnung funktioniert: Beim westlichen Nachbarn gibt es größere und einheitlichere Siedlungen, was die Sanierung einfacher und günstiger macht. Skeptiker weisen zudem darauf hin, dass die großen niederländischen Bauunternehmen zu einer Sanierung im großen Stil eher in der Lage seien als die in Deutschland verbreiteten vielen kleinen Handwerksbetriebe.

Nach Meyers Angaben waren die Kosten in Hameln höher als bei einer herkömmlichen Sanierung. Durch die wachsende Routine bei der Ausführung der Handwerksarbeiten könnten sie gedrückt werden. „Die Lohnkosten machen 50 Prozent aus. Wichtig ist es, die richtigen Handwerksbetriebe zu finden und so zu schulen, dass sie gut miteinander zusammenarbeiten“, sagt Meyer. „Das spart enorm Zeit und Geld.“

Er sieht nach den Erfahrungen mit dem Prototypen auch in technischer Hinsicht Verbesserungsbedarf: In die vorgefertigte Fassade soll künftig die Gebäudetechnik mit ­integriert werden.