: Aufstand der Sandristas
Der FC Barcelona ist die beste Mannschaft Spaniens. Doch vor Beginn der neuen Saison bekämpfen sich zwei Parteien. Das Präsidium der Katalanen ist gespalten. Mittendrin im Getümmel: Johan Cruyff
AUS BARCELONA RONALD RENG
Wie überall in diesen Wochen zwischen den Fußballjahren wird auch in Barcelona heftig über die Neuen diskutiert. Müssen sie wirklich rot sein, fragen die Fans. Denn nicht die neuen Spieler erregen hier die Gemüter, sondern die neuen Hosen. Rot! Seit über einem halben Jahrhundert trägt Barça blaue Hosen zu den blau-rot gestreiften Jerseys. Die Farben des Klubs sind Legende. Präsident Joan Laporta dachte, der Farbwechsel sei etwas „Modernes“. Er hätte seinen Klub besser kennen sollen. Massenweise gingen Leserbriefe bei den katalanischen Sportzeitungen ein: „Wir erinnern uns an große Spieler wie Kubala, Cruyff, Romario in blauen Hosen, und jetzt kommen einige Direktoren daher und präsentieren uns Spieler mit roten Ärschen.“
Der Zank um die Hose ist der vorläufige Höhepunkt eines heißen Sommers, in dem Barça sein erfolgreichstes Jahr seit langem auf seltsame Art begeht: mit den komischsten Streitereien und verbittertsten Machtkämpfen. Zum ersten Mal seit sechs Jahren wurde Barça wieder spanischer Meister. Die Elf gilt als spektakulärste im Fußball, und der Verein macht nach Jahren, in denen die Schulden auf über 200 Millionen Euro stiegen, wirtschaftlich wieder Gewinn. Doch als eine Million Fans von der Meisterfeier nach Hause gegangen waren, sah man, dass dieser Erfolg seine Initiatoren nicht glücklich machte, sondern zu Gegnern.
Fünf der 17 Präsidiumsmitglieder sind inzwischen aus Protest gegen Präsident Laporta zurückgetreten, darunter sein einst engster Vertrauter, Vizepräsident Sandro Rosell. Rosell war es, der mit den Kontakten aus seiner Zeit als Nike-Manager einen der weltbesten Fußballer, Deco, sowie Weltmeister Ronaldinho zu Barça lockte. Fußballteams können losgelöst vom Zirkus in ihrem Klub funktionieren. Doch ob Barça ohne Rosell die erfolgreiche Transferpolitik fortsetzen kann? Maxi López und Demetrio Albertini, die ersten Spieler, die Trainer Frank Rijkaard im Winter hinter Rosells Rücken verpflichtete, sprechen nicht dafür.
Die Jugendfreunde Laporta und Rosell, beide 42, waren deshalb gewählt worden, weil sie Gemeinschaftssinn und Teamwork und Demokratie verkörperten. Zwei Jahre später haben sie nur noch ihre Meinungsverschiedenheiten gepflegt. Laporta habe ihm zuletzt Sitzungen mit dem Trainer verheimlicht, „um mich nicht dabei zu haben“, klagt Rosell. „Rosell verfolgt seit Monaten eine Strategie, um sich als Präsidentschaftskandidat in Stellung zu bringen“, behauptet Laporta.
Besonders die Rolle von Johan Cruyff entzweite das Präsidium. Cruyff, Barças Ikone der Siebziger, hat keine offizielle Funktion im Verein. Das macht seinen Einfluss nicht geringer. Tatsache ist, dass Laporta und Rosell Trainer Rijkaard auf Cruyffs Empfehlung anstellten. Später bekamen Rosell und andere im Präsidium das Gefühl, Laporta höre nicht mehr auf sie, sondern nur noch auf Cruyff. Es ging so weit, dass ein Präsidiumsmitglied, Jordi Monés, zurücktrat, weil der Präsident beim Kauf von medizinischen Geräten nicht auf ihn, einen Arzt, höre, sondern auf Cruyff.
Heute ist das Präsidium gemäß der Statuten handlungsunfähig, weil es nicht mehr die mindestens nötigen 14 Mitglieder hat. Durch den Verein fegt eine Säuberungswelle. Mitarbeiter wie der Chef der Jugendteams, Josep Colomer, werden entlassen, obwohl die A-Jugend gerade das spanische Double gewann. Aber Colomer gilt als Sandrista, ein Freund von Sandro Rosell. Spieler wie Deco, die mit Rosell befreundet sind, versuchen sich so neutral wie möglich zu verhalten. Zu seiner Hochzeit vor zwei Wochen lud Deco beide, Laporta und Rosell, ein. Die Streithähne redeten zwar kein Wort miteinander, benahmen sich aber, auch als Deco sie beim Fußball im Garten in gegnerischen Teams aufeinander losließ. Den einzigen Platzverweis sah Decos Vater – für ein Foul am Sohn.
Zwangsläufig fällt die Rolle des Bösen Laporta zu. Die Sympathien in schmutzigen Machtkämpfen sind generell mit dem Verlierer – die Verantwortung allerdings liegt meist bei beiden Parteien. Doch nun erscheint in der öffentlichen Meinung auf einmal alles schlecht, was Laporta macht. Dass er den Vertrag mit Ronaldinho bis 2014 verlängert, wenn der 34, womöglich ein alter Sack sein wird. Dass er die Hosenfarbe wechselt. Tatsächlich ist die Wahrheit differenzierter als die verbreitete Meinung: Ronaldinhos Vertrag enthält eine Klausel, derzufolge ihn der Verein ab 2010 jährlich kündigen kann. Und was die Hosen betrifft: Chu Uroz, Präsident der Vereinigung Barceloneter Modeschöpfer Moda FAD, macht den Fans Hoffnung: „Spieler schwitzen. Und der Schweiß färbt die Hosen dunkler.“