: Journalistin trotzt Asiens Berlusconi
Weil sich Supinya Klangnarong nicht von der geballten Macht des Medienkonzerns von Thailands Premierminister Thaksin Shinawatra einschüchtern ließ, wird ihr ab heute der Prozess gemacht. Das führt zu großer Solidarität mit der mutigen Frau
AUS BANGKOK NICOLA GLASS
Ihr Lächeln ist tapfer, doch die großen Augen in ihrem kindlich wirkenden Gesicht haben dunkle Ränder: Viel geschlafen hat Supinya Klangnarong in den letzten Wochen vor ihrem heute beginnenden Strafprozess nicht. Als Generalsekretärin der kleinen Nichtregierungsorganisation Campaign for Popular Media Reform (CPMR) ist die Medienaktivistin nie zuvor in die Schlagzeilen geraten.
Doch dann wagte die heute 32-Jährige im Juli 2003, die mächtige Shin Corporation öffentlich anzuprangern. Sie erklärte damals, dass die Profite von Thailands größtem Medien- und Telekomkonzern deutlich gestiegen seien, seit Thaksin Shinawatra und seine regierende Partei Thai Rak Thai (Thais lieben Thais) 2001 an die Macht gekommen waren. Das Pikante: Der einst von Thaksin und seiner Frau gegründete Konzern wird heute vom Familienclan des Premiers kontrolliert.
Nachdem die Zeitung Thai Post Supinyas Kommentare gedruckt hatte, strengte die Shin Corp daraufhin sowohl einen Strafprozess als auch eine Zivilklage wegen Verleumdung gegen Supinya und die Thai Post an. Begründung: Die Äußerungen schadeten der Reputation des Konzerns, weil sie den Eindruck erweckten, dass das familieneigene Unternehmen auf unfaire Weise von Thaksins politischem Amt profitiert habe.
Vor allem der Umstand, dass die junge Aktivistin bis dato keine bekannte Größe war wie andere Intellektuelle, ließ sie für die mächtige Shin Corp offenbar zur leichten Zielscheibe werden.
Doch Supinya war nicht wie sonst üblich zu einer außergerichtlichen Einigung samt Abdruck einer Entschuldigung bereit. Stattdessen wuchs die Unterstützung für die unerschrockene Journalistin im In- und Ausland: Zum Prozessbeginn reisen Medienexperten und Vertreter von Journalistenorganisationen unter anderem aus New York und Paris an. In Thailand stärkte der hoch angesehene ehemalige Premier Anand Panyarachun ihr den Rücken. Freunde und Unterstützer haben für Supinya ein Spendenkonto eingerichtet. Und ihre fünf Verteidiger erklärten, unentgeltlich zu arbeiten.
„Warum gerade mein Fall so populär geworden ist, weiß ich nicht, aber ich fühle mich sehr geehrt“, sagt Supinya zur taz, „Und wenn er dazu beitragen kann, etwas in der Gesellschaft und für die Pressefreiheit zu verändern, wäre das großartig.“
Die Shin Corp ist heute Thailands größter Mobilfunkanbieter, dominiert das Satellitengeschäft und hält Anteile an Rundfunk- und Fernsehkanälen. Thaksin überschrieb seine Unternehmensanteile kurz vor seinem Amtsantritt Anfang 2001 seiner Familie. Doch seine durch Druck auf regierungskritische Medien und die zunehmende Verflechtung politischer Interessengruppen mit der Wirtschaft gekennzeichnete Amtsführung brachte ihm den Titel „Asiens Berlusconi“ ein.
Einflussreiche politische Stellen sicherten sich zudem verstärkt Anteile an Medien, um diese besser unter Kontrolle zu haben. Diese Entwicklung erzeuge ein wachsendes „Klima der Angst“ unter Thailands Journalisten, bilanziert der Kommentator der regierungskritischen Tageszeitung The Nation, Kavi Chongkittavorn. „Der Punkt ist, dass wir einen Führer haben, der die Freiheit der Presse nicht respektiert.“ Wer es als Journalist dennoch wagt, einen „Interessenkonflikt“ öffentlich zu machen, wird nicht selten versetzt, entlassen oder wie in Supinyas Fall mit Verleumdungsklagen überzogen. Dabei kommt der gegen die Medienrechtlerin angestrengte Prozess, der nicht zufällig auf den Sommer nach der Parlamentswahl verschoben wurde, für die Regierung jetzt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Der populistische Thaksin, der für Kampagnen wie den so genannten Krieg gegen die Korruption bekannt ist, steht derzeit stark unter Druck: Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage favorisieren zwar 46 Prozent der Befragten weiterhin Thaksin als Regierungschef, während der Chef der oppositionellen Demokratischen Partei, Abhisit Vejjajjiva, lediglich auf 39 Prozent kommt. „Doch dies ist ein starker Rückgang für den Premier, der sich bei den Wahlen vom Februar noch der Zustimmung von gut 77,5 Prozent sicher sein konnte“, kommentierte die Nation. Thaksins Popularitätsverlust ist vor allem auf die schlechter werdende Wirtschaftslage, gestiegene Ölpreise sowie die Korruptionsskandale zurückzuführen.
Der Ausgang des Verfahrens gegen Supinya ist ungewiss: Sollte sie im Strafprozess schuldig gesprochen und womöglich zu Gefängnis verurteilt werden, droht ihr und der Thai Post noch der Zivilprozess. Darin geht es um eine Geldstrafe von umgerechnet bis zu 7,8 Millionen Euro.