: Der Mut auch mal zur Lücke
Nur falls man es vergessen haben sollte, noch mal zur Erinnerung, dass der Rock ’n’ Roll wohl niemals sterben wird, während die Rockstars das eben doch tun. Sterben. Und dann sind sie tot. Wer jetzt wissen will, wer sich bislang alles zu dieser Runde gesellen musste, findet massenhaft Namen auf den Seiten von thedeadrockstarsclub.com, wo man das mit dem Rock pietätsvoll gar nicht so erbsenzählerisch angeht und auch Künstler mit aufnimmt in diesen Club, die einem selbst beim zweiten Drübernachdenken nicht unbedingt zum Rock einfallen würden.
Bei den Neuzugängen wird da beispielsweise die kürzlich aus dem Fenster gefallene Tänzerin und Chansonsängerin Margot Werner gelistet. Und natürlich auch der am Montag verstorbene Jon Lord, den man vor allem als den Keyboarder von Deep Purple kennt. Zur würdigenden Erinnerung summt man nun vielleicht doch deren „Child in Time“ oder sogar einen früheren Titel von Deep Purple. Von deren 1968 erschienenem Debütalbum „Shades of Deep Purple“ beispielsweise. Mit etwas Kunstfertigkeit kann man sich da an „Prelude: Happiness/I’m So Glad“ wagen, ein Medley, in dem die „Scheherazade“ von Rimski-Korsakow mit einem alten Song von Skip James zusammengepackt ist. Da ist – gar nicht als Konfrontation gemeint – vereint, um was es da auch ging bei dieser Band. Die Klassik und der Blues. Beides. Zusammen. Und das ist vor allem er, Jon Lord.
Oder ja: war.
Um ihn ein wenig herauszuheben, gibt es nebenan auf dem leicht nachbearbeiteten Cover von dem Deep-Purple-Debüt mal mehr von ihm zu sehen und kaum was vom Rest der Band. Und das geht auch andersherum. Deswegen würde man sich wünschen, dass die in den Beerdigungsreden gern angesprochene „schmerzhafte Lücke“, die der gerade unter die Erde gebrachte Mensch hinterlassen habe, wirklich mal spürbar gemacht wird. Könnte man sich im vorliegenden Fall so vorstellen, dass man einfach so eine Deep-Purple-Coverband auf die Bühne stellt, die dann Deep Purple spielt, aber ohne den Orgelbeitrag Jon Lords. Die schmerzhafte Lücke.
Schön wäre natürlich gleich ein kleines Festival in diesem Modus, wenn die Cover-Kapellen den jeweiligen Ist-Zustand ihrer Referenzbands nachstellen, also die Doors ohne den Sänger, weil Jim Morrison schon so lange fehlt. Oder Led Zeppelin ohne Schlagzeug und John Bonham. Und als Höhepunkt dann die Ersatz-Beatles, die minus John Lennon und George Harrison „While My Guitar Gently Weeps“ spielen, nur mit Ringo-Schlagzeug und Paule-Bass.
Gleich daran sterben würde der Rock ’n’ Roll jedenfalls nicht.
THOMAS MAUCH