Einblick (104)

Ilya Chichkan, Künstler

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?Die Ausstellung, die derzeit in den KW läuft, ist nicht schlecht. Auch die von Boris Groys kuratierte Ausstellung dort hat mir sehr imponiert. Starke Arbeiten haben damals z. B. Boris Michaylov und auch Jarbol gezeigt. Es ist aber schwierig, über solche Gruppenausstellungen zu reden. Normalerweise spürt man die Hand des Kurators sehr stark. Manchmal kann es auch passieren, dass gute Arbeiten, die aber nicht an einem Strang ziehen, in einer diffusen Masse verloren gehen. So etwas scheint sich mir im Martin-Gropius-Bau bemerkbar zu machen. Welches Konzert oder welchen Klub können Sie empfehlen?Unlängst hat mich der Club KitKat erstaunt. Man hat mich eingeladen, ein paar Fotos zu schießen. Ich war dort quasi dienstlich, musste aber beim Eintritt meine Hose herunterlassen. Normalerweise müssen die Besucher etwas mehr Kleidung an der Garderobe abgeben. Ich würde sogar sagen, sie kommen eigentlich deshalb. Dabei ist alles wie in einem guten Club, nur stark erotisch angehaucht. Den Club kann ich empfehlen, gerade jenen, die einen Kick suchen.Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet Sie zurzeit durch den Alltag?Es gab eine gute Berliner Zeitschrift: Quest. Die ist aber offensichtlich Pleite gegangen. Sie hatte für mich den Vorteil, auch auf Englisch zu sein. Ich kann Deutsch nicht lesen. So besorge ich mir hauptsächlich englischsprachige Kunstzeitschriften wie z. B. Artforum. Was die Literatur betrifft, versuche ich die ganze Zeit, neue, interessante Autoren zu finden. Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht Ihnen momentan am meisten Freude?Vor einigen Tagen hat mich ein Ereignis „belustigt“. Die Kreuze am Checkpoint Charlie wurden demontiert. Es regnete und die Männer hatten gelbe Regenjacken mit Kapuzen an. Mit den Kreuzen in den Armen haben sie bei mir Assoziationen mit dem Ku-Klux-Klan erweckt. Alle Kreuze trugen Namen und es entstand eine groteske Situation wie im Theater des Absurden. Im wirklichen Leben kann einen das aber nicht erfreuen.