SPORTPLATZ
: „Irgendwann mussten höhere Ziele her“

BALTIC RUN Was treibt jemanden an, 324 Kilometer in 5 Tagen zu laufen? Ein Teilnehmer erklärt es

■ 46, ist am Sonntag mit 69 weiteren LäuferInnen vom Lustgarten zum „Baltic Run 2012“ gestartet. Der Servicespezialist für Geldautomaten ist Ultralauf-Urgestein von der LG Nord Berlin.

■ Der Baltic Run führt in fünf Tagesetappen an die Ostsee.

Mehr unter www.baltic-run.de

taz: Herr Prochaska, wenn die meisten taz-LeserInnen diese Seite aufschlagen, werden Sie schon 70 oder 80 Kilometer von Berlin entfernt sein. Ab Sonntag früh stehen 324 Laufkilometer in fünf Tagen auf dem Programm, und jeden Morgen werden Ihnen die Beine höllisch wehtun. Wie motivieren Sie sich weiterzumachen?

Jan Prochaska: Ich freue mich in erster Linie auf den Lauf! Auf die Landschaft, das Laufen in der Natur, auf Sonnenblumenfelder …

davon bekommen Sie was mit bei den Strapazen?

In der Regel schon. Ich versuche mir trotzdem immer die Strecke anzuschauen.

Wo führt Sie die Etappe denn entlang?

Die Strecke führt über Joachimsthal, Prenzlau, Ueckermünde und Anklam nach Karlshagen auf Usedom. Ich kenne Teile der Strecke ganz gut – dort bin ich beruflich viel mit dem Auto unterwegs. Das wird gut, mal mehr von der Landschaft zu sehen.

Wie lang sind die Tagesstrecken?

Die kürzeste 59 und die längste 69 Kilometer.

Wie viel essen und trinken Sie bei einem solchen Lauf?

Ich nehme ein, zwei Energie-Gels mit, habe immer Wasser dabei. Zwischendurch trinke ich Cola. Alle 10 Kilometer etwa gibt es Verpflegungsstände. Da nehme ich Obst oder Salzgebäck zu mir.

Wer begleitet Sie auf den Etappen? Die sind ja wahrscheinlich nicht abgesteckt.

Die Strecke ist mit Klebestreifen oder Kreide markiert. Einige Läufer lassen sich vielleicht von Angehörigen mit dem Rad begleiten.

Ist der Verkehr für die Läufer ein Problem?

Nein, meistens laufen wir auf den Rad- oder den Feldwegen.

Und an roten Ampeln? Müssen Sie das Rennen unterbrechen?

Ja, dazu verpflichten wir uns zumindest. Vor allem bei Schranken. Wenn du vor so ’ner Schranke warten musst, ist natürlich alles vorbei, das holst du nicht wieder rein.

Was machen Sie am Ende einer Tagesetappe?

Da versuche ich mir einen der drei Physiotherapeuten des Baltic Run zu schnappen, um mich massieren zu lassen.

Sind Sie zum ersten Mal dabei?

Ja, ich bin aber bereits seit zehn Jahren Ultraläufer.

Ab wann spricht man von einem Ultramarathon?

Streng genommen bei allen Läufen, die länger als die Marathondistanz von 42,195 km sind. Ich habe vor allem bei 100-km-Läufen und 24-Stunden-Läufen mitgemacht. Bei Letzteren gewinnt der, der nach 24 Stunden die meisten Kilometer geschafft hat.

Wie viel Training ist notwendig?

In der Regel laufe ich 4.000 Kilometer pro Jahr. In diesem Jahr sind es aber bis jetzt schon 3.000. Über 100 Kilometer in der Woche läuft man in der Regel schon.

Wie viel Leute gehen beim Baltic Run an den Start?

Es sind 70 Teilnehmer dabei, 58 Männer und 12 Frauen.

Woher kommt Ihre Laufbegeisterung?

Ich bin bereits früh mit meinem Vater laufen gegangen. Und dann startete ich schon bei der Spartakiade, als ich noch in Leipzig wohnte. Nachdem ich im Jahr 1990 am Berlin Marathon teilgenommen hatte, wusste ich: Das will ich öfter machen. Und irgendwann reichte der Marathon nicht mehr, es mussten höhere Ziele her.

Ticken Ultraläufer anders als andere Sportler?

Bei unseren Rennen geht es schon familiärer zu als in anderen Sportarten. Man unterstützt sich gegenseitig, noch mehr als bei Marathons. Viele Ultraläufer in Deutschland kennen sich untereinander. Es gibt ja auch nur rund 2.000 regelmäßig aktive Athleten.

Und mit einem von denen laufen Sie manchmal zusammen ins Ziel?

Ja, mit Michael Vanicek laufe ich gern gemeinsam durchs Ziel. Das haben wir etwa bei den 100 Meilen Berlin im vergangenen Jahr gemacht. Wir sind befreundet – und so gewinnen wir beide.

INTERVIEW: JENS UTHOFF