FRANZÖSISCHE EINLAGEN RUND UM EINE HEISSE FESTSAAL-NACHT : Wer braucht schon „Ja, aber …“-Sätze am Samstagabend?
VON FRAUKE BÖGER
Farben hatte ich mir gemerkt, irgendwas mit Farben. F. hatte mich gefragt, ob wir am Samstag zusammen ausgehen, sie wolle in den Festsaal zu den Farben. Das erzählte ich munter weiter und machte damit einige froh, die die Fehlfarben immer schon mal sehen wollten. Nur waren es natürlich nicht die Fehlfarben – da würde F. nie hingehen –, sondern Alle Farben, dieser schrecklich junge DJ. Der Irrtum klärte sich früh auf, genug Zeit, mich umzustellen und doch noch zu freuen: sommerlich tanzbarer Elektro, kein Punk, aber auch kein schwerer Minimal, und das Ganze à la français, versprach der Festsaal.
Dann kamen neue Gerüchte. Alle Farben, super, aber das sei doch längst ausverkauft, da komme man doch nie rein, schon gar nicht mit so vielen Leuten. Wir waren also ostwestfälisch früh da und standen rum, in der Schlange. Immerhin gab die Flaschenmafia sich die Ehre, direkt vor uns ihren Kampf auszutragen: eine Frau mit einer Schar Kinder gegen die Alte, die immer griesgrämig durch den Görli zieht. Die Alte gewann und riss weiter allen ihre Bierflasche aus der Hand, die nicht schnell genug eine Halbdrehung vollzogen.
Wir durften endlich rein, Musik, Gin Tonic und noch mal rumstehen in der Schlange an der Garderobe. Dann tanzen. A. war völlig außer sich, grinste unablässig und freute sich, dass er schwitze: „Ich muss den Restalkohol von gestern loswerden“, sagte er und kippte gleichzeitig Wodka mit irgendwas nach. Man schafft sich seine Welt eben so, wie sie gefällt. Und schwitzen taten wir wahrlich. Die Musik stimmte, das Publikum war zwar jung, aber erstaunlicherweise nicht blöd, und es war so heiß, fast unerträglich. Den ganzen Tag hatte ich gefroren, und dann das. Sauna ist nicht mein Ding. Wenigstens zog sich niemand irgendwas Wichtiges aus. Nur die eine, die mit dem blau glitzernden Ding auf dem Kopf, hatte ihre Schuhe ausgezogen. Da konnte ich aber locker weggucken.
Jedenfalls mussten wir immer wieder raus, Luft holen. Und mal kurz diskutieren, ob Holländisch oder Hebräisch besser klingt. Und warum Paare sich immer nach drei Jahren trennen, wie der neue Film nach dem Buch von Frédéric Beigbeder behauptete. Er ist ja immerhin Franzose, was ihm bei uns schon eine Portion Glaubwürdigkeit schenkte und zum Abend passen sollte. Außer dem üblichen „Man gewöhnt sich aneinander“ – „Es verliert seinen Reiz“ kamen wir aber nicht weit und gingen lieber schnell wieder tanzen. Pünktlich für den Orgasmus. Es lief „Danse“, das Schwanensee-Stück, und F. war außer sich: „Kennst du das, wenn auf einmal dieser echte Tanzmoment einsetzt, das ist ein Tanzorgasmus“, quietschte sie und hüpfte weiter.
E. und K. waren mittlerweile gegangen und teilten mit, dass sie einen Laden suchten, in dem Musik gespielt würde. Bisschen stieselig, aber auch egal. Wir tanzten noch eine Weile auf dem Oberdeck, wo es noch heißer war, aber genug Platz, sodass man nicht Gefahr lief, dem Schweiß eines anderen Menschen zu nahe zu kommen.
Auf dem Heimweg gab es dann noch eine kleine französische Einlage. Ein Typ lag in einem Hauseingang und sagte „Je t’aime, je t’aime“ zu der Frau, die vor ihm stand und ungeduldig rauchte. „Oui, mais …“ antwortete sie, und den Rest verstand ich zum Glück nicht mehr. „Ja, aber …“-Sätze sind das Letzte, was man Samstagnacht gebrauchen kann, wenn man sie nicht selbst sagt. Ein paar Meter weiter dann eine viel erfrischendere Kommunikation: Ein besoffener Typ in armeegrüner Jacke brüllte mir „Heeeyyy“ ins Ohr. „Fuck you“, brüllte ich zurück, und er brummelte nur noch. Schlafen konnte ich danach gut.