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Archiv-Artikel

Skorpion aus der Asche

NACH DEN QUERELEN Die Temporäre Kunsthalle meldet sich zurück – und beeindruckt gleich in doppelter Hinsicht: mit Bettina Pousttchis Fassaden-Installation „Echo“ und mit der von Kirstine Roepstorff kuratierten Gruppenausstellung „Scorpio’s Garden“

Monica Bonvicini besorgt sich für „Turning Walls“ Zaunelemente im Baumarkt

VON ARIANE BREYER

Sorgenvoll blickt man seit einigen Tagen auf die Temporäre Kunsthalle. Nicht so sehr, weil die neue Fassadengestaltung an den doch gerade erst abgetragenen Palast der Republik gemahnt. Sondern vielmehr, weil die Künstlerin Bettina Pousttchi für die Plakatierung der Außenhaut herkömmliches Papier wählte. Wenn das im Winter mal gut geht! Am Ende hängt die Reminiszenz in nassen Fetzen vom Kubus herab. Obwohl: Vielleicht wäre das sogar die beste Pointe der Installation. Dann wäre Pousttchis Arbeit „Echo“ nicht nur der künstlerische Widerhall eines symbolträchtigen historischen Bauwerks, sondern erinnerte auch an dessen nicht minder symbolträchtigen Abriss.

Aber auch ohne wetterbedingten Verfall führen die Außeninstallation und die von Kirstine Roepstorff kuratierte Ausstellung im Innern die Temporären Kunsthalle auf kluge Weise zu ihrer eigenen Entstehungsgeschichte zurück. Der Anspruch an den Neustart im zweiten Jahr war immens: Organisatorisch lag seit dem Rausschmiss der Geschäftsführer Coco Kühn und Constanze Kleinert und dem Rücktritt des künstlerischen Beirats alles im Argen. Ästhetisch hatte man, angetreten, den jungen Wilden der Stadt ein Forum zu bieten, im ersten Jahr eher auf Gefälliges gesetzt. Und die Besucherzahl blieb weit hinter den Erwartungen zurück. All diese Mängel sollten nun mit einem Schlag behoben werden.

Jetzt also eine Gruppenausstellung. Mit 21 Künstlern und 15 Performern, allesamt Wahlberliner. Zusammengestellt hat ihre Werke die dänische Künstlerin Kirstine Roepstorff, die damit ihr Debüt als Kuratorin gibt. Mit dem Titel der Ausstellung, „Scorpio’s Garden“ hat sie ein schönes Bild für die Stadt und deren Kunst und die eigene Schau zugleich gefunden: Die erste urkundliche Erwähnung Berlins fällt ins Tierkreiszeichen des Skorpions, ebenso der Mauerfall, und das ist doch ein hübscher Zufall für eine Stadt, die gleich doppelt geboren wurde. Diese Stadt dann als einen Garten zu beschreiben, in dem das Leben und die Kunst wild wuchern, ist wiederum ein hübsches Kompliment, und genau das wollten die Organisatoren haben. Beides wollten sie feiern: die kreative Szene und Berlin als deren fruchtbaren Nährboden.

In der Tat lässt es sich im Skorpionengarten vortrefflich lustwandeln: Roepstorff hat eine breite, geschwungene Rampe mitten in die Halle gebaut, an deren höchstem Punkt eine Skulptur Julian Göthes emporragt: irgendwas zwischen gigantischer Schachfigur und Götzenbild in Bauhausästhetik. Den Aufstieg säumen Collagen von Amelie von Wulffen, die auf irritierend-dekorative Art auf Sofaskulpturen montiert sind. In den Seitenwänden der Rampe befinden sich kleine Nischen: Dort ruht dann beispielsweise Jason Dodges „Rubies inside of an Owl“ (2006), eine ausgestopfte Schleiereule, deren Bauch mit Rubinen ausgestopft wurde. Oder Henrik Olesens Milchtüten („Ohne Titel“, 2007), auf denen statt einer Beschreibung des Pasteurisierungsvorgangs Informationen zur Homosexualität bei Bonobos stehen. Oder Isa Genzkens „Weltempfänger“, wuchtige, antennenverzierte Betonblöcke, die ein historisches Museum als frühsteinzeitliche Kofferradios etikettieren würde.

Auch dort, wo die Werke nicht unmittelbar zugänglich sind, ist es eine heitere Ausstellung. Da wirkt die Installation „Turning Walls“ (2001) von Monica Bonvicini, die verschiedene Zaunelemente aus dem Baumarkt zur Manifestation einer kleinbürgerlichen Abgrenzungsfantasie verschraubt hat, wie die Negativfolie für Roepstorffs Konzept eines offenen, frei zugänglichen Gartens. Hier sollen alle Elemente in ein freies Spiel miteinander versetzt werden. Offen ist dieser Garten sowieso, seitdem kein Eintritt mehr verlangt wird.

Obwohl sich Pousttchi und Roepstorff nicht abgesprochen haben, passen ihre Konzepte wunderbar zueinander. Beide besinnen sich auf die Ursprünge des Projekts Temporäre Kunsthalle. Auf der neuen Außenhaut erscheint der Palast der Republik als ein aus Archivbildern zusammengesetzter, digital verfremdeter Wiedergänger ebenjenes Ortes, an dem vor vier Jahren die Gruppenausstellung „White Cube“ stattfand, aus der wiederum die Temporäre Kunsthalle hervorging. Jetzt hat Kirstine Roepstorff gezeigt, dass das ursprüngliche Konzept nicht nur in Hallen funktioniert, deren Verfall bereits eingesetzt hat. Mal sehen, ob die Papierfassade hält, bis im Dezember die nächste Kuratorin Karin Sander gleich 100 Künstler in die Halle einlädt.

■ „Scorpio’s Garden“: bis zum 15. November 2009; „Echo“: bis Februar 2010