berliner szenen: Gefahren lauern überall
Dreimal schon habe ich meine Küche umgezogen. „Sie schon wieder“, freut sich der Installateur jedes Mal, wenn ich anrufe, „Sie sind meine Altersvorsorge.“ Er begrüßt mich, noch bevor ich meinen Namen genannt habe – er hat meine Nummer eingespeichert. Wir sind inzwischen recht gut eingespielt, er installiert die Küche, ich bringe ihm einen Kaffee. An Corona glaubt er nicht. „Ich kenne niemanden, der das hat“, sagt er. „Ich schon“, sage ich. „Sie sind ja auch Ärztin.“ – „Eben darum, glauben Sie es mir doch!“ Weil er mich mag, tut er mir den Gefallen und sagt, er werde noch einmal darüber nachdenken. Das glaube ich ihm nicht.
Da er nie eine Maske dabeihat, habe ich inzwischen immer eine vorrätig. Seufzend zieht er sie an. Draußen regnet es, und während ich lüfte, bin ich froh, dass ich nicht mehr zur Schule gehe. Dort muss es in den letzten Wochen so kalt gewesen sein, dass selbst die hartgesottensten Wintersportler unter den Lehrkräften mit ihren Northface-Jacken alt aussahen. Die Tochter meiner Freundin hatte sich monatelang ein neues Fahrrad gewünscht – dann wechselte sie zur Heizdecke. „Für nach dem Lockdown“, erzählte sie mir, denn wenn sie erfriere, nütze ihr auch das Fahrrad nichts. Mehr Weitblick als der Installateur, denke ich.
Der blickt unwillig aufs offene Fenster. „Wenn ich nicht wüsste, dass Sie Ärztin sind, würde ich meinen, Sie sind Lehrerin – hier ist es ja kälter als bei meinem Sohn in der Schule.“ Ich bin nicht überrascht, wir haben inzwischen oft zeitgleich denselben Gedanken. „Glühweinwetter“, sage ich, „wollen Sie einen Kaffee?“
„Nein danke, lieber einen Tee.“ Er deutet auf seinen Bauch. „Ich bin krank“, sagt er.
Na super, denke ich, kein Corona, aber dafür Magen-Darm. Die Gefahren lauern heutzutage wirklich überall. Eva Mirasol
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