Doch doch, voll schön!

Wer schenkt, kommuniziert – und weckt damit, wenn auch unbewusst, Hoffnungen in der beschenkten Person. Das geht besonders an Weihnachten oft nach hinten los. Vier taz-Mitarbeiter*innen berichten von ihren schlimmsten Geschenken: von Leberwurst bis Schreibtischunterlagen. Eine kurze Typologie der Enttäuschung

Foto: Richard Clark/getty images

Der gut gemeinte schlechte Witz

Viele würden sicher erwarten, dass ich mich bei den schlimmsten Weihnachtsgeschenken an das Jahr erinnere, in dem ich gleich zwei Nasenhaarschneider bekam. Aber keineswegs. Das war eines der nützlichsten Geschenke, die ich je erhalten habe (der erste – den zweiten schenkte ich tags darauf weiter an einen guten Freund).

Das bescheuertste Geschenk war dagegen ein Set Überschuhe mit Metallzacken, das mir meine Mutter schenkte, um damit den Berliner Kreuzberg zu besteigen.

Es war dieser eiskalte Berliner Winter irgendwann im vergangenen Jahrzehnt und meine Mutter liebt Scherzgeschenke mit Tusch. Naheliegendere Scherzgeschenke wären Socken gewesen, aber Socken finde ich – genau wie Nasenhaarschneider – äußerst nützlich. Also bekam ich stattdessen als Pointe diese anschnallbaren Gummiuntersohlen mit Spikes, mit denen man vermutlich eisige Bergwanderungen macht – eine der letzten Freizeitbeschäftigungen, auf die ich Lust hätte, aber hier ging es auch eher darum, mir jede Ausrede zu nehmen, bei zweistelligen Minusgraden nicht an die „frische Luft“ gehen zu müssen. Meine Mutter lachte sich tot bei der Vorstellung, dass ich mit diesen Dingern durch die vereisten Straßen der Hauptstadt stapfe. Ich dagegen weinte bitterlich über die – für eine mittelmäßige Pointe – Euros, die sie an die Outdoor-Mafia verschleudert hatte.

Zum Glück hat uns Corona dieses Jahr die Bescherung abgewöhnt. Wenn man so weit ist, dass die Geschenke schon Metakommentare zum Schenken an sich sind, dann sollte man’s lieber lassen. Peter Weissenburger

Die pädagogische Alternative

Meine kluge Freundin Mariana hatte das Spiel bereits: Turmstraße – billig, Schlossallee – yes, Dollarzeichen in den Augen, öffentliche Infrastruktur aufkaufen, in den Knast bei unternehmerischem Scheitern. Geht es moderner? Das war Anfang der 60er Jahre, Westdeutschland. Ich wollte es auch, das Weihnachtsgeschenk: „Monopoly“.

Wir lebten in einer Einzimmerwohnung, Küche, Bad, Heizung. Gerade hinter uns gelassen hatten wir ein Häuschen mit Ofen und Teerdach, eher kalt und feucht, in dem meist noch eine Studentin ein winziges Zimmer belegte. Arm waren wir alle. Meine alleinerziehende Mutter hätte nicht einmal von Immobilenwelten träumen können.

Daran lag es wohl nicht, dass sie ein anderes Spiel unter den Weihnachtsbaum legte: die „Deutschlandreise“. Vielleicht war es pädagogisch gemeint, um mir nach der fünf in Erdkunde auf die Sprünge zu helfen. Oder um, wie es heute heißt, „virtuell“ zu reisen, weil es für mehr als die Nordseeküste nicht reichte.

Zum ersten Mal seit 1934 war die „Deutschlandreise“ wieder aufgelegt worden. Diagonal erstreckte sich das ungeteilte Großdeutschland von Lörrach bis zur polnischen Stadt Stettin mit Berlin als Hauptstadt. Die Städtekarten wiesen die Richtung an, je höher die Würfelzahl, desto schneller waren die Stationen abgeschritten und der Sieg war gewiss. In Geografie hatte ich im folgenden Jahr eine vier, so blieb es bis zum Schulabschluss. Ja, ich spielte dieses Spiel später mit Mariana oder dem Nachbarsjungen.

An jenem Weihnachtsabend aber weinte ich bitterlich vor meiner entsetzten und hilflosen Mutter. Rosemarie Nünning

Der stinkende Restposten

Es wird wohl so zwanzig Jahre her sein; es geschah, als ich im südlichen, also Kreuzberger Teil der Friedrichstraße wohnte, der damals noch ganz ruhig war. Zu der Wohnung gehörte ein großer Balkon, der war nicht nur für das gute Ende die Geschichte wichtig, sondern bot auch einen schönen weiten Ausblick bis zum Fernsehturm.

Heute kann ich ihn von dort nicht mehr sehen, denn es wurde ein großes Zeitungshaus dazwischen hochgezogen, auf das meine mir unbekannten Nach-Nachbarn jetzt statt der weiten Aussicht blicken und den Medienleuten beim Balkon-Rauchen zuschauen können.

Jedenfalls hatte ich während dieser Zeit einmal in der Adventszeit das peinliche Gefühl, ich sei da in der Dezemberdunkelheit mal wieder in eine Hinterlassenschaft eines Hundes oder einer Katze getreten und hätte sie auch noch in der Wohnung verteilt.

In der Einzimmerwohnung, ohne Flur, war das natürlich besonders blöd, denn da konnte ich dem wirklich ekligen Geruch nicht mal kurzzeitig ausweichen. Irgendwo in der Nähe des Schreibtischs musste die Quelle sein.

Oder war es am Ende gar kein Schuh, was da so organisch roch? Doch nicht etwa ein Kleidungsstück?? Nein, nach längerer Suchaktion fand ich das Objekt, konnte es auf dem Balkon entsorgen und so saubere Raumluft und Gewissheit schaffen.

Es handelte sich um die ökologisch-lederne Schreibunterlage, die wohl aus nicht verkauften Merchandising-Beständen stammte und mir, wie anderen KollegInnen, vom taz-internen „Nikolaus“ geschenkt worden war.

Matthias Fink

Der unverhoffte Schreck

Wie alt ich war, fünf oder doch schon sechs, weiß ich nicht mehr. Und wie ich auf die Idee gekommen war, mir Leberwurst zu Weihnachten zu wünschen, ist mir bis heute schleierhaft. Jedenfalls habe ich sie bekommen.

Sie war ordnungsgemäß in Geschenkpapier mit Sternchen gewickelt. Ihr Duft, der sich mit dem der Orangen und dem süßen Zimtaroma des Spekulatius auf dem Gabentisch mischte, stieg mir beim Lösen der Schleife mit ungelenken Kinderfingern atemberaubend in die Nase.

Als ich das braun-gräuliche, prall gefüllte, aber formbare Stück Naturdarm, das ein wenig durchfettete, in Händen hielt, schielten meine älteren Geschwister skeptisch auf den Inhalt jenes unscheinbaren Päckchens. „Was hast du denn da?“, fragte einer meiner Brüder.

Die mitfühlende Ahnungslosigkeit, was diese intensiv riechende Masse in meiner Hand sein möge, empfand ich als geradezu beleidigend, ohne sagen zu können, warum. „Hast du dir etwa Wurst gewünscht? Leberwurst?!“ Er lächelte. „Guckt mal, Benno hat Leberwurst zu Weihnachten bekommen!“

Ja, ich hatte mir Wurst gewünscht, Leberwurst, und sie bekommen. Bis zu jenem Tage hatte ich Leberwurst geliebt, ich war ja noch ein Kind, und hatte keine Ahnung, dass sie inmitten von Stollen und Vanillekipferln – an Glanz verlieren musste: Sie schmeckte widerlich.

Seit jenem Heiligabend aber blicke ich auf Weihnachten stets mit besorgter Unruhe, weil ich nicht weiß, welchen Kackwunsch ich diesmal habe.

Und wer ihn mir voll Liebe und Nachsicht erfüllt. Benno Schirrmeister