: Hilfe für Junkies – eine Frage des Überlebens
In mehreren Städten NRWs finden am heutigen „Nationalen Gedenktag für die verstorbenen Drogenabhängigen“ Kundgebungen und Mahnwachen statt. Die Zahl der Drogentoten sinkt, aber inhaftierte Junkies bleiben gefährdet
Köln taz ■ Die Zahl der Drogentoten in NRW ist im letzten Jahr weiter gesunken. Die Jahresstatistik 2004 erreichte mit 324 Toten den tiefsten Stand seit 1990. Im ersten Quartal 2005 sank die Zahl auf 64 gegenüber 72 im Vorjahreszeitraum. Soweit die offiziellen Zahlen. Junkies sterben allerdings nicht nur an einer Überdosis, sondern auch an Suchtfolgeerkrankungen wie Leberzirrhose, Sepsis und Herzerkrankungen. Um auf die überlebensnotwendigen Hilfen für Drogenabhängige hinzuweisen, wird heute im Beisein von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in Wuppertal der „Nationale Gedenktag für die verstorbenen Drogenabhängigen“ begangen. Auch in Düsseldorf, Essen, Köln und Dortmund finden Mahnwachen, Kundgebungen, Gottesdienste und Informationsveranstaltungen statt. Der bundesweite Gedenktag wird zum 8. Mal begangen. Ins Leben gerufen wurde er 1998 vom Verband der Eltern und Angehörigen drogenabhängiger Kinder.
Die rückläufige Zahl der Todesopfer – auch bundesweit ist die Tendenz fallend: von 1.477 Drogentoten 2003 auf 1.385 im Jahre 2004 – ist nach Meinung von Experten keineswegs die unmittelbare Folge eines geringeren Verbrauchs harter Drogen. Vielmehr habe sich das Konsumverhalten gewandelt. Mathias Häde, Vorstandsmitglied im NRW-Landesverband von „Junkies, Ehemalige und Substituierte“ (JES) führt den Rückgang vor allem auf die inzwischen recht schwache Konzentration des Heroins zurück. „In der Szene findet man heute selten Konzentrationen von über 6 bis 7 Prozent. Früher gab es durchaus 30 bis 40 prozentiges Heroin.“ Für einen „goldenen Schuss“ müssten die Konsumenten schon „große Scheine“ auf den Tisch legen.
Jugendliche tendierten heute eher zu so genannten Designerdrogen wie Ecstasy oder LSD. Zugenommen hat auch die Zahl der „Koks-Freaks“, wie Häde sie nennt. „Viele mischen Koks mit Heroin, um das ungute Gefühl nach dem Kokskonsum durch Heroin zu vermeiden. Außerdem reicht vielen die Wirkung des Straßenheroins nicht mehr aus.“
Ein besonderes Anliegen ist dem Verein JES, der zu den Themen Drogengebrauch, Aids und Hepatitis Beratung anbietet und Entgiftungsplätze vermittelt, am diesjährigen Gedenktag die Gesundheitsvorsorge für die zahlreichen Drogengebraucher, die sich wegen Beschaffungsdelikten und/oder Kleinsthandel in Haft befinden. „Durch mangelnde Präventionsmaßnahmen in den Gefängnissen bleibt es dem Zufall überlassen, ob Drogengebraucher sich mit lebensbedrohlichen Viren wie HIV und Hepatitis C infizieren oder nicht“, so Häde. „Durch eine Spritzen- und Kondomabgabe könnten entsprechende Risiken weitgehend vermindert werden.“ Eine Bereitstellung von Spritzen habe nur mal in einer Frauenhaftanstalt in Hamburg stattgefunden. Aber auch dort sei die Spritzenvergabe 2002 eingestellt worden.
JES NRW wird derzeit vom Land finanziert. Fragt sich nur, ob sich daran aufgrund des Regierungswechsels etwas ändern wird. „Da muss man sich überraschen lassen“, meint Häde. „Die ersten Signale deuten aber darauf hin, dass CDU und FDP in unserem Bereich nicht kürzen wollen.“ CORNELIA LAUFER