: Gewalt als Antwort
Die Bremer Band Burnout Ostwest veröffentlicht ihre erste Platte, ohne je ein Konzert gespielt zu haben
Von York Schaefer
Während sich junge Bands früher bei Konzerten, Konzerten und noch mehr Konzerten die Finger wund spielen mussten, bevor an so etwas wie eine Platte oder CD überhaupt zu denken war, läuft das heute dank digitalisierter Produktionsmittel und Vertriebswege anders. Bemerkenswert ist es dennoch, dass Burnout Ostwest aus Bremen vor ihrem ersten Album kein einziges Konzert gespielt haben. Zumindest nicht in dieser Formation, denn Burnout Ostwest sind zwar eine neue, aber keine junge Band mehr: Felix Büttner hat bei der Ska- und Soulformation Schwarz auf Weiß Saxophon gespielt, bei den Techno-Punkern Alltag werkelt er seit bald zehn Jahren am Synthie für mehr Exzess und weniger Bürgerlichkeit. Demnächst erscheint eine neue Alltag-Platte, aufgenommen im legendären Bremer Studio Nord.
Sein Kompagnon Hannes Gehring spielt mit Mercedes Jens (nach eigenen Angaben Bremens dümmste Band) astreinen 80er-Schrammelpunk. Mit dem musikalisch ähnlich sozialisierten Team Scheisse bringt der Bremer Anfang kommenden Jahres sogar eine Platte beim schwer angesagten Berliner Label und Produzententeam KitschKrieg heraus. 14 Songs in 14 Wochen seien seit der Gründung von Burnout Ostwest im Spätsommer entstanden, erzählt das Bremer Duo. Anfang November erschien „Früher war mehr Geld“: das erste Digital-Album mit fünf Stücken. Eine Live-Bühne hat das Duo pandemiebedingt noch nicht gesehen. „Da sind wir aber auch ganz froh drüber, so ist man aus dem diesem ergebnisorientierten Prozess raus“, sagt Felix Büttner über die zurzeit entschleunigte und trotzdem produktive und selbstbestimmte Arbeitsweise.
Der Gedanke führt direkt zum ersten Song des Albums: „Arbeit ist die wärmste Jacke.“ Schmissig-eingängiger Gitarrenriff, schneidende Synthies, hoher Mitgrölfaktor – die Ingredienzien aller Burnout-Songs. Verhandelt wird die Do-it-yourself-Kultur, deren subversives, antikommerzielles Potenzial längst eingehegt ist in kapitalistische Verwertungsprozesse: „DIY-Millennials / Hand in Hand / DIY – zum Sterben ins Niemandsland / DIY – mit dem Hammer in der Hand“, heißt es im Refrain und später „Ich bau mir eine Welt / wie sie euch gefällt / Bin ein DIY – da ist doch nix dabei“. Auch im wavigen „High sein, frei sein, ich will nicht dabei sein“ werden vermeintlich alternative, neo-hippieske Lebenskonzepte drastisch aufs Korn genommen: „Kiffen auf dem Longboard / Gewalt ist hier die Antwort“, lautet die Losung.
„Uns regt viel auf, uns nervt viel“, sagen Gehring und Büttner, „das kann man mal besprechen“. Auf die Frage nach dem musikalischen Selbstbild, nach Verwurzelungen und Traditionen gibt es naturgemäß keine klare Benennung („Wir sind zu jung für Schubladen“). Aber es drängen sich doch Referenzen auf zu zeitgenössischen Postpunk-Bands wie Pisse, das ironische Spiel mit Pop-Referenzen, lustige Parolen gepaart mit hartem Realismus. Die Band selber freut sich über die Zuschreibung „als ob Jens Rachhut (Dackelblut, Blumen am Arsch der Hölle etc.) bei Sportfreude Stiller singt“, die mal jemand benutzt hat. Das nächste Album ist in Planung, mit dem heute leider programmatischen Titel: „Alles bleibt schrecklich“. Und dann gibt’s ja vielleicht auch wieder Konzerte ...
Burnout Ostwest: „Früher war mehr Geld!“: https://burnoutostwest.bandcamp.com
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