Die lukrative Drohung mit dem Markenrecht

Immer mehr Anwälte verklagen Firmen, weil ihr Name angeblich phonetisch an einen Markennamen erinnert

BERLIN taz ■ Der Hamburger Unternehmer Horst Levien war überrascht: Unerwartet bekam er Post von Tchibo – dabei gehörte der Kaffeekonzern gar nicht zu seinen Kunden. Schließlich betrieb Levien nur eine Internet-Preissuchmaschine. Wie sich herausstellte, war der Kaffeeröster empört: Schriftlich wurde Levien ermahnt, dass er sein Unternehmen sofort umbenennen müsse. Keinesfalls dürfe es weiterhin „tchico“ heißen. Begründung: „Verwechslungsgefahr wegen phonetischen Gleichklangs“.

Levien lenkte ein. Dennoch erhielt er wenig später schon wieder Post von Tchibo – diesmal eine Rechnung. Der Kaffeeröster verlangte 2.500 Euro für die Abmahnung – denn der Konzern unterstellte einen „Streitwert“ von 200.000 Euro. „Dabei haben wir nur 1.000 Euro Umsatz gemacht“, empört man sich bei „tchico“. Seit Herbst 2004 tobt daher der Rechtsstreit.

Es ist nicht die erste Abmahnung, die Tchibo verschickt hat. „Wir müssen unseren Namen schützen“, sagt Unternehmenssprecher Joachim Andreas Klähn. Für ihn ist es eine „klare Provokation“, eine Internet-Suchmaschine „tchico“ zu nennen. In einer Auseinandersetzung mit dem Berliner Café „cibo matto“ bekam Tchibo Recht – das Café nennt sich seit dem 1. Januar 2005 nun „C. Matto“.

Diese Verfahren sind keine Einzelfälle – und sie liegen im Trend. Der Verein „Abmahnwelle“ hat nachgezählt: Vor zehn Jahren wurden nur 180 Abmahnungen in Deutschland verschickt, inzwischen sind es jährlich rund 1.800. Fast ein Drittel davon rügen angebliche Verletzungen des Urheber- und Markenrechts oder sehen Internet-Domainnamen bedroht.

Oft sind es jedoch gar nicht die Unternehmen, die sich beschweren – es sind findige Anwälte, die mit den Abmahnungen Geld verdienen wollen. Meist recherchieren die Juristen im Internet, um Markenähnlichkeiten aufzuspüren, hat „Abmahnwelle“ ermittelt. Der Selbsthilfeverein fordert, kostenpflichtige Abmahnungen durch Anwälte gesetzlich zu verbieten.

Doch es sind nicht nur Anwaltskanzleien, die vom Markenrecht profitieren: Inzwischen gibt es spezialisierte Agenturen für „Branding“, die gezielt Markennamen erfinden und gleichzeitig garantieren, dass keine Verwechslungsgefahr besteht.

„Die Angst vor Imageschädigungen geht durch alle Branchen“, sagt Sybille Kircher, die die Düsseldorfer Dependance der internationalen Agentur „Nomen“ leitet. Für die „Erfindung“ eines Markennamens brauche ihre Agentur durchschnittlich zwei Monate – aber die rechtliche Absicherung könne dann noch bis zu einem Jahr dauern. Sobald die Gefahr einer möglichen Ähnlichkeit besteht, wird der Fall an die Patentanwälte übergeben. Die Kinderwagenfirma „chicco“, zum Beispiel, muss keine Klage von Tchibo befürchten. FABIAN KRÖGER