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Wenn Spezies verhandeln

Gelungenes Online-Mitmach-Theater: In Hamburg (und im Netz) trat das „Klimaparlament“ zusammen

Die Botschafterin der Elbe sang Laute, ihren Text sprach der Musiker

Von Moritz Klindworth

Die Idee stammt von Bruno Latour: In seinem „Parlament der Dinge“ (erschienen 1999) lässt der französische Soziologe und Wissenschaftstheoretiker Menschen in Verhandlungen treten mit ansonsten ungehört bleibenden Dingen. Die Umsetzung weist Latour, hier ganz Philosoph, dann anderen zu.

Durchgeführt worden ist das am Wochenende in Hamburg: Die Künstlerkollektive Metagarten und Helfersyndrom initiierten in Zusammenarbeit mit der Kulturfabrik Kampnagel und dem Monsun-Theater einen Rahmen, innerhalb dessen Wesen und Unwesen über Lösungen für die Klimakrise diskutieren konnten; anders gesagt: die „Gründungsversammlung eines Klimaparlaments“.

Wesen sind Lebewesen, also Tiere und Pflanzen. Unwesen, das ist etwa die Elbe – oder der Findlingsstein „Alter Schwede“, der bei Ovelgönne an ihrem Ufer liegt. Ferner gibt es Abwesen – das sind die Zuschauenden vor ihren Endgeräten – sowie Anwesen: unabhängige Beobachter*innen vor Ort, etwa eine Gruppe aus Gestrüpp und Dingen, die im Studio aufgestellt wurden.

Endgeräte? Studio? Umständehalber verlegt in den virtuellen Raum, konnten Zuschauer*innen die Diskussion über den Youtube-Kanal des Monsun verfolgen, aber auch mitmachen. Zehn Beschlüsse sollten am Ende der Veranstaltung stehen, Hamburgs Zweite Bürgermeisterin, die Grüne Katharina Fegebank, soll Interesse signalisiert haben.

Per Zoom-Schalte stellten die Botschafter*innen vor, welche Maßnahmen gut für ihre Spezies wären; dargestellt wurden Wesen und Unwesen freilich von Menschen: Die waren zuvor über drei Monate hinweg gesucht worden. In zwei Runden mit je sechs Redner*innen präsentierten sie also ihre Anliegen, mal mehr, mal weniger kreativ: So sang die Botschafterin der Elbe Laute, während ihren Text der Musiker vortrug, der hinter einem Mischpult hervor auch die Botschafter*innen vorgestellt hatte. Diese leisteten argumentativ ganze Arbeit, sprachen im Sinne ihrer Spezies. Nach sechs Vorträgen stimmten die Anwesen gegen drei der Anliegen; über die verbliebenen entschieden Zuschauer*innen und Botschafter*innen am Ende des Abends.

Im Mittelpunkt stand mal nicht der Mensch: Das könnte man daraus ableiten, dass nur einer der zehn Beschlüsse in seinem Interesse war, aber gleich acht im Interesse der Pflanzen zu verstehen sind. Was Bürgermeisterin (und Wissenschaftssenatorin) Fegebank nun wohl daraus macht?

www.klimaparlament.org

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