: Mick im Monocoque
Neuer Schumi rettet leidendes Deutschland
Endlich, endlich, endlich wird die Welt wieder normal, zumindest die deutsche. Den Schumachers sei Dank! Der großen Kerpener Formel-1-Familie. Ihr jüngster Spross Mick Schumacher wird ab der nächsten Saison einen Boliden in der Königsklasse des Autorennens steuern. Zwar nicht aus dem feuerroten Hause Ferrari, „aber mein Name ist Haas, ich weiß von nichts“, lautet das Motto seines auserwählten Rennstalls. Es geht voran! Römm, römm …
Deutschland jubelt: Kinder werden in die Luft geworfen, Kappen geküsst, Pferdestärken gestreichelt. Denn jeder weiß: Nun ist die Nation gerettet. Im Jahr 2021 wird alles, alles gut. Fing doch das verdammte Elend vor rund zehn Jahren damit an, dass Vater Schumacher, der heilige Michael, zu Beginn des Zehnerjahrzehnts seinen Rücktritt als rasendes Idol der autoverrückten Deutschen erklärte. Und schlimmer noch: Schumi verschwand nach seinem Skiunfall völlig von der Bildfläche, um in einem von allen ehrlichen Steuerbürgern fernen Schweizer Chalet sein trockenes Gnadenbrot zu mümmeln.
Ein Jahrzehnt voller Krisen hetzte los: Finanz-, Euro-, Griechen-, Flucht-, Nazi-, Terror-, Klima-, Auto-, Coronakrise – ein nicht enden wollendes Rennen katastrophaler Ereignisse. Das Land aber war ohne einen Schumi mit seinem kantigen Siegerkinn beraubt jeder heroischen Führung. Angela Merkel mit ihren nach unten offenen Mundwinkeln wollte und konnte nicht auf das Podest der deutschen Emotionen steigen und den Champagner verspritzen.
Und so steuerte der Großbolide Germania führerlos über den Kurs und krachte ein ums andere Mal in die Leitplanken. Nur der starre Monocoque aus Gleichgültigkeit und Weiterso verhinderte das Auseinanderbrechen des Autostaates.
Doch die Pein ist jetzt zu Ende! Die Rettung aller Probleme naht wie die schwarzweiß karierte Flagge auf der Ziellinie. 2021 wird das Gaspedal der leidenden Nation wieder durchgetreten. Von Mick Schumi, unserem neuen jungen Helden. Ja, ja, ja, ein deutscher Heros ist wiedergeboren! Jesus, Elvis, Angela – zieht euch warm an! Mick, wir glauben an dich. Römm, römm …
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
