Hört, wie die Städte klingen

AVANTGARDE Skizzen und Installationskonzepte der großen amerikanischen Komponistin Maryanne Amacher zeigt die DAAD-Galerie

Viele Klangforscher und Ambientkünstler zieht es für ihre sogenannten field recordings in die Natur. Sie hören mit hochempfindlichen Mikrofonen den Klang von Gletschern ab oder von zirpenden Insekten. Die amerikanische Komponistin, Elektronikmusikerin und Installationskünstlerin Maryanne Amacher war eher am Klang des Urbanen interessiert. Sie wolle das Brummen der Städte entdecken, sagte der Komponist Alvin Curran einmal über die Kollegin, mit der er in den Sechzigern in der legendären Elektronik-Improvisationsgruppe Musica Elettronica Viva spielte.

Ein Brummen meint man auch in den elektronischen und elektroakustischen Kompositionen der Künstlerin vernehmen zu können. Klänge verdichten sich zu Drones, es rauscht und gurgelt in ihrer Musik. Einige ihrer minimalistischen Synthesizerexperimente klingen wie Frühformen des Techno, der bekanntlich als die urbane Musik schlechthin gilt.

Nach ihrem Tod 2009 wurden Skizzen, Installationskonzepte und Beschreibungen unvollendeter Projekte zu einem Archiv zusammengefasst. In Erinnerung daran, dass Amacher 1986 DAAD-Stipendiatin in Berlin war, sind Teile des Archivs jetzt in der DAAD-Galerie in der Ausstellung „Intelligent Life“ zu sehen.

Collagen aus Klang

Amacher erforschte den Klang von Städten bereits in ihrer monumentalen Installationsserie „City Links“, an der sie über 20 Jahre lang in verschiedenen Städten arbeitete. Schon deren erste Station, „City Links: Buffalo“ machte sie 1967 bekannt. Im Rahmen von „City Links“ positionierte sie an unterschiedlichen Plätzen in der jeweiligen Stadt Mikrofone. Über diese lauschte sie den Örtlichkeiten ihren Klang ab, übertrug diese in ein Radiostudio und mixte daraus ein Klangporträt der Stadt. In Boston und New York nahm sie monatelang den Klang am Hafen auf, um daraus in ihrem Studio Environment-Collagen zu kreieren.

Maryanne Amacher, die bei Karlheinz Stockhausen studierte und mit den ganzen Größen der amerikanischen Avantgarde von John Cage bis Merce Cunningham in Verbindung stand, arbeitete bei ihren Installationen hochkonzeptuell. Ihre Experimente mit der elektronischen Musik waren jedoch gleichzeitig zugänglich genug, um eine junge Generation experimenteller Musiker wie Rhys Chatham oder Thurston Moore von der New Yorker Band Sonic Youth zu beeinflussen.

In der Dokumentation „Day Trip Maryanne“ sieht man, wie ein faszinierter Thurston Moore in Amachers extrem unaufgeräumtes Studio in Kingston, New York, pilgert, um sich dort in die geheimnisvolle Welt einer Klangmagierin einführen zu lassen.

Die kleine Hommage in der DAAD-Galerie hingegen macht es Amacher-Einsteigern nicht unbedingt leicht. In der kleinen Räumlichkeit finden sich nicht mehr als eine Hörstation mit mehreren CD-Playern und jede Menge Schriftstücke aus dem Archiv. Der Blick aufs Papier bietet nur dem schon Eingeweihten die Möglichkeit, sich einer großen Künstlerin zu nähern, und die über den Kopfhörer gehörten Klänge vermitteln nur schwer die Faszination, die Amacher auch nach ihrem Tod für wichtige zeitgenössische Musiker wie etwa John Zorn hat. Um diese große Künstlerin besser verstehen zu können, hilft wohl nur, am kommenden Samstag die Vorträge und Performances zu Maryanne Amacher zu besuchen. Damit es einem auch ein wenig geht wie einst Thurston Moore. ANDREAS HARTMANN

■ „Intelligent Life“. Bis 25. August DAAD-Galerie, Zimmerstr. 90/91. Vorträge und Performances: 28. August, 15–24 Uhr, Kleiner Sendesaal, Funkhaus Nalepastraße