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Archiv-Artikel

Die Sammler vom Bahnhof Zoo

Bürgerinitiative macht mobil: Hunderttausend Unterschriften sollen Bahnchef Mehdorn zumErhalt des Fernbahnhofs Zoo zwingen. Die private Konkurrenz könnte vom Zoo-K.o. profitieren

VON RICHARD ROTHER

Der Kampf um den Erhalt des Bahnhofs Zoo als Fernbahnhof hat gerade erst begonnen. Das meint zumindest eine Charlottenburger Bürgerinitiative, die gestern ihre Pläne für eine Unterschriftensammlung vorlegte. Bislang prominenteste Unterstützerin: Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD). Zur Begründung der Aktion sagte die Initiatorin der Unterschriftensammlung, Helga Frisch: „Bahnchef Mehdorn interessiert sich nicht für Argumente, sondern nur für Zahlen.“

Die will Frisch nun liefern. „Das Interesse an der Aktion ist riesengroß.“ Bis Ende September will die Bürgerinitiative mehr als hunderttausend Unterschriften für den Erhalt des Zoos als Fernbahnhof sammeln und dem Chef der Bahn AG, Hartmut Mehdorn, übergeben. Wie berichtet, plant die Bahn, ab Mai 2006 keine ICEs mehr am Zoo halten zu lassen. Auf der Ostwestachse sollen die Schnellzüge stattdessen am künftigen Hauptbahnhof am Lehrter Bahnhof. Begründet wird dies mit einem Zeitgewinn von einigen Minuten, den ein Halteverzicht bringen würde.

Hunderttausende Berliner und ihre Gäste hätten aber weit größere Zeitverluste hinzunehmen, die eine Anreise zum Hauptbahnhof erfordern würde. Im Einzugsbereich der westlichen City bis Potsdam seien rund 1,4 Millionen Einwohner betroffen, die verlängerte Reisezeiten von 30 bis 60 Minuten in Kauf nehmen müssten, schätzt die Bürgerinitiative.

Der Bahn gehe es darum, den im Nahverkehr schlecht angebundenen neuen Hauptbahnhof profitabel zu machen, so Fritsch. Dafür solle die Konkurrenz – der funktionierende Bahnhof Zoo – ausgeschaltet werden. Für Bürger und Bahnkunden sei dieses Denken aber nicht nachvollziehbar. „Uns interessiert nicht der Börsengang der Deutschen Bahn AG, sondern die Kundenfreundlichkeit des ganzen Unternehmens“, so Frisch. Sie lehne es ab, „dass Technokraten, Bürokraten und Finanzspekulanten darüber entscheiden, wo Bahnreisende ein- und aussteigen sollen“.

Zumindest einen könnten die Pläne der Bahn erfreuen: den Konkurrenten Connex, der bereits günstige Verbindungen an die Ostsee im Programm hat. Die private Bahnfirma plant, ab Mai kommenden Jahres dreimal täglich nach Hamburg und zurück zu fahren: vom Bahnhof Zoo aus. Auch eine Verbindung ins Rheinland ist angedacht. Natürlich wäre es angenehm, ein „Alleinstellungsmerkmal“ zu haben, sagte Connex-Sprecher Matthias Röser gestern. Allerdings sei der Bedarf auf der Strecke Berlin–Hamburg so groß, dass es auch Platz für zwei Anbieter gebe.

Derweil kann der Bahnhof Zoo prominente Kundschaft aufweisen: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nutzte gestern den Westberliner City-Bahnhof, um – eilig aus Hannover kommend – in Berlin zu landen.