: Globalisierung schadet der Gesundheit
Der erste „alternative Weltgesundheitsbericht“ fordert mehr Geld und Mitsprache für die Weltgesundheitsorganisation
BERLIN taz ■ „Ich bin aufgrund meiner Armut krank geworden“, klagt der eine. „Und ich bin wegen meiner Krankheit verarmt“, antwortet die zweite abgemagerte Gestalt in einer Karikatur im ersten alternativen Weltgesundheitsbericht, der gestern in Frankfurt von der Hilfsorganisation medico international vorgestellt wurde. Den Teufelskreis zwischen Armut, mangelnder Bildung und Ernährung und der Gesundheit hatte bereits 1978 die Alma Ata Erklärung formuliert. Deren Schlachtruf „Gesundheit für alle“ nimmt der Global Health Watch Report 2005–2006 wieder auf und fordert dazu in seinem ersten großen Kapitel vermehrte Anstrengungen gegen die Ungleichheiten, die die wirtschaftliche Globalisierung verursacht hat. Abhilfe soll etwa ein globaler Sozialvertrag schaffen oder die Beratung der Welthandelsorganisation (WTO) durch Gesundheitsexperten.
Der gestern vorgestellte Report ist ein Gemeinschaftswerk zahlreicher Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler und Ärzte aus allen Teilen der Welt und nimmt stärker als die Berichte der großen Akteure wie Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder Unicef die Perspektive „von unten“, aus der Sicht der Betroffenen ein. Von den anderen Gesundheitsberichten unterscheidet ihn vor allem auch seine kritische Auseinandersetzung mit diesen global wirkenden Institutionen.
Als bedenklich stuft der Bericht die Versuche der Industrienationen ein, diese Organisationen allein zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. Hier fordern die Autoren einen stärkeren Einfluss der Entwicklungsländer.
Ein zweites großes Problem sei die Knauserigkeit, so der Bericht. Die WHO etwa müsse mit einem Jahresbudget von 1 Milliarde US-Dollar auskommen. Das ist eine enorme Summe, aber angesichts der zu bewältigenden Aufgaben viel zu wenig. Hinzu komme die uneffektive Nutzung der Ressourcen durch verzerrte Zielsetzungen, schlechtes Management und Machtmissbrauch, wodurch die Organisation in einen Zustand der Lähmung verfalle, heißt es in dem langen Kapitel über die WHO, das zahlreiche Lösungsvorschläge bietet. Neben den Kritikpunkten werden aber auch die Errungenschaften der WHO hervorgehoben.
Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der Verbesserung der Gesundheitssysteme. Hier sei eine allgemeine Qualitätssteigerung statt der Konzentration auf vereinzelte Krankheiten nötig. Zudem fordern die Autoren eine Abkehr von der Kommerzialisierung der Gesundheit, um eine Behandlung für alle Bevölkerungsteile zu ermöglichen.
Auf dem Treffen der Weltgesundheitsbewegung (People’s Health Movement) vom 17. bis 22. Juli in Ecuador wurde der alternative Gesundheitsbericht als wichtiges Instrument im Kampf für das Recht aller Menschen auf Gesundheit gelobt.
FRANZISKA BUCH