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Archiv-Artikel

Gemeinden gegen Ballungsraum

Kommunen und Landkreise in Südhessen wehren sich gegen ein Ballungsraumgesetz. Sie wollen nicht für Oper und Theater in Frankfurt zahlen – und drohen mit Klage

„Wir werden einen Kulturzwangsverband auf breiter Front bekämpfen“

FRANKFURT taz ■ Hört etwa der Oberbürgermeister von Offenbach, Gerhard Grandke (SPD), etwas vom Ballungsraumgesetz, reagiert er gereizt. Auch Grandkes Kollegen in anderen Kommunen des Rhein-Main-Gebiets und den Landräten dort geht es ähnlich, selbst denen mit einem Parteibuch der CDU in der Tasche.

Dabei ist doch ihr Parteifreund und Parteivorsitzender, der hessische Ministerpräsident Roland Koch, der Erfinder dieses Gesetzes, mit dem die Kommunen und Landkreise dazu animiert werden sollen, sich über die Verwaltungsgrenzen hinweg für den Kultur- und Wirtschaftsraum Rhein-Main mit Frankfurt am Main als zentraler Metropole zu engagieren. Verabschiedet ist das Gesetz längst, umgesetzt aber noch lange nicht. Doch die Schonfrist, die Koch den Kommunen und Landkreisen in Südhessen für die Neuorientierung gewährte, läuft bald ab.

Zur Entwicklung eines regionalen Bewusstseins zwingen könne man die Bürgermeister und Landräte nicht, so der grüne Landtagsabgeordnete Mathias Wagner: „Den allermeisten Kommunalpolitikern wird das kommunale Hemd immer näher sein als der regionale Rock.“ Grandke jedenfalls hat schon einmal für seine arme Kommune vorsorglich eine Klage gegen den „Zwangsverband“ angekündigt, falls Koch, der sich im Landtag auf eine absolute CDU-Mehrheit stützen kann, auf einer Umsetzung des Gesetzes besteht. Geld für die kulturellen Einrichtungen in der Nachbarstadt werde Offenbach jedenfalls nicht bezahlen. Das wiederum erbittert die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU). Tatsächlich fehlen der Stadt aktuell noch rund 2,5 Millionen Euro zur Finanzierung der anstehenden Spielzeit von Theater und Oper. Würden sich die Kommunen und Landkreise im Umland an der Finanzierung beitragen, wäre diese Lücke längst geschlossen.

Längst steht fest, dass auch die Bürgermeister anderer Umlandkommunen und auch Landräte dem Beispiel Grandkes folgen und klagen werden, darunter auch – zum großen Ärger von Roland Koch – christdemokratische. Die Kassen sind nämlich überall leer.

Zwar erklärte der hessische Staatsgerichtshof das Ballungsraumgesetz schon 2004 für rechtens. Zur darin vorgesehenen Einrichtung eines Zweckverbandes mit Zwangsmitgliedschaft für die Frankfurter Umlandkommunen und die Landkreise sagten die Richter aber nichts. Darüber könne erst entschieden werden, wenn dagegen geklagt werde. Dass geklagt werden wird, steht inzwischen fest. Es könnte also sein, dass Kochs Ballungsraumgesetz vielleicht erst im Jahre 2011 greift. Oder gar nicht, wenn der Staatsgerichtshof die Zwangsmitgliedschaft für verfassungswidrig erklären sollte.

Die Grünen etwa sehen das Land in der Pflicht, sich finanziell am Erhalt der kulturellen Vielfalt in Frankfurt zu beteiligen. Schließlich finanziere das Land Hessen auch die kulturellen Einrichtungen in der Landeshauptstadt Wiesbaden und in den ehemaligen Residenzstädten Darmstadt und Kassel mit.

Das sieht auch die Frankfurter OB Roth angesichts der aktuellen Widerstandsfront gegen den regionalen Zweckverband so. Die Grünen in Stadt und Land favorisieren eine „demokratische Lösung“. Ein regionales Parlament solle eingerichtet werden. Dazu allerdings müssten die Landkreise in der Region abgeschafft werden – und die Landräte gleich mit.

„Dem Bürgermeister ist das kommunale Hemd näher als der regionale Rock“

Das Kabinett Koch beschloss in der letzen Woche angeblich eine „Dringlichkeitserklärung“ zur kulturellen Zusammenarbeit im Ballungsraum. „Eine Geheimsache“, unkte SPD-Fraktionschef Jürgen Walter jetzt, denn bislang wurde dieser Regierungsbeschluss nicht veröffentlicht. Walter kündigte an: „Der Kulturzwangsverband wird auf breiter Front bekämpft. Er ist weder im Interesse Frankfurts, das zwangsläufig sein Eigentum an den Kultureinrichtungen verlieren würde, noch im Interesse des Umlandes, das mindestens 70 Millionen Euro zur Finanzierung Frankfurter Einrichtungen beisteuern müsste.“

Die Wirtschaft ist über das Hin und Her ohnehin längst verärgert. Bei der Umsetzung des Ballungsraumgesetzes dürfe keine Zeit verloren werden, hatte etwa der Flughafenchef Wilhelm Bender schon vor einem Jahr gesagt. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT